Wurzelt Hitlers wahnhafter Vernichtungsantisemitismus bereits in seiner Wiener Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, wie er in seinem Buch „Mein Kampf“ behauptet? Oder ist sein fanatischer Judenhass dem Chaos der Nachkriegsjahre geschuldet, als Revolution sowie Versailler Vertrag Deutschland zutiefst erschütterten und München zu einem Hotspot völkisch-antisemitischer Verschwörungstheorien wurde? Für Letzteres spricht vieles, wie der Historiker Ralf Georg Reuth nachweist. Denn weder in Hitlers frühen Jahren noch in denen als Weltkriegskämpfer findet sich ein einziges antisemitisches Zeugnis von ihm. Vom Februar 1919 existieren sogar Aufnahmen, die ihn beim Begräbnis des ermordeten bayerischen Ministerpräsidenten, dem jüdisch-stämmigen Linkssozialisten Kurt Eisner zeigen. Und kurz darauf – während der als „jüdisch“ apostrophierten Baierischen Räterepublik – ließ sich Hitler nachweislich zum Soldatenrat der „Roten Armee“ wählen. Der spätere Diktator war – so Reuth – zunächst ein Mitläufer, dessen Weg zum Judenhasser erst nach dem Ende der kurzen Herrschaft der Räte und unter dem Eindruck der verheerenden Friedensbedingungen des Versailler Vertrags im Frühjahr 1919 begann. Reuth räumt in seinem Buch mit dem von Generationen von Historikern von Hitler übernommenen Bild vom frühen Judenhasser auf und gibt eine neue Antwort auf die Frage nach den Wurzeln des Völkermords an den europäischen Juden.