Fränkische Herrscherurkunden gelten der rezenten Diplomatik als repräsentative Kommunikationsmedien, die den Untertanen das Bild souveräner Erhabenheit vermittelten. Weitgehend offen ist dabei bislang geblieben, wie die Empfänger, also die hauptsächlichen Rezipienten der Urkunden, herrscherliche Präzepte wahrnahmen, wie viel Wissen über die Gestaltung der Originale sie besaßen und wie sie auf den historischen Wandel der Urkundengestaltung reagierten. Rudolf Hertwig befragt in seiner Studie zur Perzeption der Herrscherurkunden im vorwissenschaftlichen Zeitalter Pseudo-Originale und Einzelblattkopien auf die Namen der merowingischen Könige sowie auf Pippin, Karlmann, Karl den Großen und Ludwig den Frommen. Ergänzt werden die nach Ausstellern geordneten Analysen durch zwei stichprobenartige Untersuchungen, die insbesondere der Frage nach empfängerspezifischen Gestaltungstraditionen nachgehen. Als Produkte aktiver Rezeption lassen diese Überlieferungsformen erkennen, welche Elemente der Originale die Empfänger im Verlauf der Jahrhunderte als obligatorisch zur Darstellung von Authentizität betrachteten. Darüber hinaus ergeben sich weiterführende Überlegungen zur Funktion der Herrscherurkunde und zum Umgang mit ihr.
