Die Sagen der Oberlausitz sind spannend und variantenreich. Nicht nur die einheimische Bevölkerung kennt sich mit dem hiesigen Sagenschatz aus, sondern auch etliche Literaten hat er inspiriert, eigene Werke wie Romane, Theaterstücke oder Filme zu erschaffen. Voll verblüffender Handlungen sind die meisten Sagen, die den Leser absichtsvoll überraschen und am Ende eines Textes fehlt es häufig nicht an der Moral, was durchaus hilfreich ist, wenn man sein Leben tugendhaft gestalten will. Alles in allem bieten die oberlausitzer Sagen ein mitreißendes Gemisch aus Historie, Fauna, Flora, Aberglauben und Mystik. Aber auch die Handhabe zu Geld zu kommen, spielt eine große Rolle. Im Mittelalter war die Oberlausitz eine Region, die nie zu Ruhe kam, sondern die sich in stetem Wandel befand und zwischen Gut und Böse hin und her taumelte. Zahlreiche Kriege – die Hussiten-feldzüge ab 1420, der Dreißigjährige Krieg, die Schlesischen Kriege, die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und den europäischen Rivalen – durchfurchten das Land. Die jeweiligen Herrscher, mal Deutsche, Polen oder Böhmen, wechselten sich je nach Gusto und Laune ab. Die Pest wütete wellenartig durch die Jahrhunderte, so dass die Überlebenden in manchen Jahren nicht in der Lage waren, die Ernte einzubringen. Andererseits verursachten periodisch anfallende Missernten existenzbedrohende Hungersnöte, die die Ansässigen zu Flüchtlingen machten, die außer Landes getrieben wurden. Und nicht zuletzt verursachten Feuersbrünste in den Dörfern und in Städten wie Bautzen, Görlitz, Bischofswerda, Löbau und Zittau verheerende Schäden. Dies alles schuf eine Menschenart, gehetzt von Schicksalsschlag zu Schicksalsschlag, die sich ein dickes Fell zulegte. Der Oberlausitzer verstand mit erlaubten und manchmal auch unerlaubten Mitteln zu kämpfen, denn nur so hatte man in solcherart wilden Zeiten (Victor Auburtin nannte das Mittelalter eine Höllenjauche) eine minimale Chance, einigermaßen heil all die Fährnisse zu überstehen und zu überleben. Einzigartig in der Oberlausitz war, dass neben den Deutschen, die im 10. Jahrhundert die Lausitz eroberten, der größere Teil der Bevölkerung slawischen Herkommens war, nämlich die Wenden (Sorben), die sich bis hinein ins 20. Jahrhundert einem repressiven und gelegentlich auch lauen Germanisierungsdruck ausgesetzt sahen. Die Wenden hatten eine grundlegende Einflussnahme auf die Sagenwelt der Oberlausitz. Ihre Geschichten und Mythen sind tief in der Kultur und Historie der Region verwurzelt. Viele der Sagenfiguren und Legenden stammen direkt aus der sorbischen Tradition und spiegeln die Lebensweise und die Frömmigkeit der Sorben wider.