Um im internationalen Wettbewerbsumfeld bestehen zu können, mussten die europäischen Seeschiffswerften in den letzten Jahren den Bau von standardisierten Handelsschiffen nahezu vollständig einstellen. Stattdessen konzentrierten sie sich auf die Konstruktion und den Bau von anspruchsvollen Spezialschiffen. Dies sind in der Hauptsache Schiffe für spezialisierte Ladung, Fähren, Passagierschiffe und Schiffe, die im Umfeld der Offshore- Industrie eingesetzt werden. Anders als einfache Handelsschiffe, die vorwiegend für lange Seereisen im Interkontinentalverkehr gebaut werden, sind diese Schiffe fast ausnahmslos im Kurzstreckenseeverkehr mit hohen Anteilen von Revierfahrt und Manövrierbetrieb un terwegs. Bedingt durch Überkapazitäten in der Schiffbauindustrie drängen verstärkt asiatische Werften auch in den traditionell den europäischen Werften vorbehaltenen Markt für Spezialschiffe. Um diesem Wettbewerb etwas entgegen setzen zu können, müssen die europäischen Werften deshalb ihre Produkte an jeden Kunden gesondert anpassen, um sich von den Massenherstellern abzusetzen. Dadurch werden die Schiffe fast ausnahmslos zu Unikaten, oder sie werden in Kleinstserien gebaut.Die Anpassung des Entwurfs an die Kundenwünsche bezieht sich nicht nur auf die Transportkapazität und die Ausstattung, sondern das Schiff wird zum Beispiel an das Fahrtprofil, das der Kunde auf seiner Route fahren möchte, angepasst. Das Fahrtprofil schließt nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch Beladungszustände, Wassertiefen, Wetterbedingungen sowie die Manövrierfähigkeit ein. Die Anpassung erfolgt im Wesentlichen über eine entsprechende Gestaltung der Schiffsform. Eine weitere sehr wichtige Anpassungsmöglichkeit stellt die Propulsionsanlage (bestehend vorwiegend aus Propeller, Ruder, Wellenanlagen und Strahler) dar, die an die realen Betriebsbedingungen angepasst werden muss. Bei der Gestaltung der Propulsions- und Manövrierorgane ist aber nicht nur auf die Manövrierfähigkeit zu achten. So ist der Propeller die Hauptquelle für die Erregung von Vibrationen und Geräuschen an Bord eines Schiffes. Dies ist einerseits bedingt durch die Tatsache, dass der Propeller eine endliche Zahl von Flügeln hat, und andererseits dadurch, dass er hinter dem Schiff in einer gestörten Zuströmung arbeitet, die zu wechselnden Lasten an den Propellerflügeln führt. Vibrationen und Geräusche mindern den Komfort an Bord eines Schiffes; sie sind damit insbesondere auf Passagierschiffen und Fähren zu vermeiden. Aber nicht nur dort: Auch auf Schiffen für die Offshore-Industrie gibt es hohe Anforderungen an Vibrationsfreiheit, damit technische Anlagen nicht geschädigt werden und das eingeschiffte Fachpersonal, das häufig im Schichtbetrieb arbeitet, ausreichend Möglichkeit zur Erholung bekommt. Da diese Schiffe sich häufig im Manövrierbetrieb befinden, ist es somit nicht ausreichend, Vibrationsfreiheit nur bei der Entwurfsgeschwindigkeit in stationärer Geradeausfahrt zu gewährleisten. Beim Entwurf der Propulsionsanlage ist aber nicht nur auf Propeller erregte Druckimpulse zu achten. Zugleich muss Material-schädigende Kavitation an Propeller und Ruder vermieden werden. Des Weiteren kommt es durch die sich verändernden Kräfte und Kraftverteilungen am Propeller zu einer veränderten Belastung der Propellerlagerung. Diese können im Extremfall bereits nach der Probefahrt des Schiffes zu Schädigungen der Lager führen, obwohl diese für Geradeausfahrt ausreichend dimensioniert worden sind. Darüber hinaus fordert der Kunde von der Werft ein Schiff, das die gestellten Anforderungen mit möglichst günstigen Betriebskosten erreicht. Diese beziehen sich insbesondere auf die Treibstoffkosten. Ein reduzierter Treibstoffbedarf bedeutet zugleich eine Verminderung der durch das Schiff hervorgerufenen Umweltbelastung. Dies ist insbesondere vor den laufenden Debatten über einen Beitrag der Schifffahrt zum Klimaschutz ein nicht zu unterschätzender Faktor. Eine Problem für die Werft bei der Anpassung der Propulsionsanlage stellt die Tatsache dar, dass der Propeller und das Ruder in der Regel Zukaufteile sind, auf deren Gestaltung die Werft nur begrenzt Einfluss nehmen kann. Deshalb muss die Werft die Schiffsform so gestalten, dass sich in den betrachteten Zuständen eine günstige Propellerzuströmung einstellt. Eine Berücksichtigung der angesprochenen Aspekte im Schiffsentwurf ist nur durch den Einsatz komplexen technischen Wissens und entsprechender Entwurfswerkzeuge möglich. Hierbei muss insbesondere auch darauf geachtet werden, dass die Entwicklungszeiten im Schiffbau für ein Produkt dieser technischen Komplexität mit wenigen Wochen bis Monaten extrem kurz sind. Die eingesetzten Beurteilungsmethoden und Werkzeuge müssen dadurch einen Schiffsentwurf in einem sehr frühen Konstruktionszustand, in dem noch nicht alle Details festgelegt sind, in sehr kurzer Zeit mit ausreichender Genauigkeit bewerten können. Der Einsatz solcher Techniken erfordert entsprechendes technischen Hintergrundwissens. Aber durch den Einsatz dieses Wissens, lässt sich sowohl für den Erbauer eines Schiffes als auch den Eigner ein Wettbewerbsvorteil generieren. Die im Folgenden vorgestellte Arbeit hat zum Ziel, die Kenntnisse um die strömungsmechanischen Effekte im Nachstrom des manövrierenden Schiffes zu erweitern und zur Verbesserung einer Manövriersimulation zu verwenden. Hierzu wird zunächst ein Überblick über den Stand der Technik gegeben (Kapitel 2), bevor die strömungsmechanischen Effekte im Nachstrom des Schiffes erläutert werden (Kapitel 3). Die im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Verfahrensweisen, die es dem Entwerfer ermöglichen, den Nachstrom am manövrierenden Schiff in einem frühen Entwurfsstadium ermitteln und bewerten zu können, werden im Anschluss vorgestellt (Kapitel 4 und 5). Hierzu werden auch die Veränderungen des vom Propeller erzeugten Schubes ermittelt. Die auf diese Weise bestimmten Nachstromabhängigkeiten werden zur Verbesserung einer bestehenden Manövriersimulation eingesetzt (Kapitel 6). Anhand einiger Beispielschiffe werden die Einsatzmöglichkeiten und Grenzen der Verfahren demonstriert (Kapitel 7). Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung der Ergebnisse mit einem Ausblick (Kapitel 8).