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Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein

Autor
Maack, Benjamin

Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein

Beschreibung

Benjamin Maack hat schon eine Depression überwunden, als es vier Jahre später wieder abwärts geht in der Spirale der Selbstabwertung, des dauerhaften Drucks und der Überforderung im Alltäglichen. Immer schwerer beherrschbare Panikattacken beim Kinder-ins-Bett-Bringen, beim Abendessen mit Freunden oder einfach beim Alleinsein. „Ich bin ein unglücklicher Mensch, der mit Glück überschüttet wird“ hatte sich Benjamin Maack als vorgefertigte und irgendwann ausgehöhlte Floskel bereit gelegt, wenn Freunde ihn fragten, wie es ihm geht, solange bis es eben nicht mehr ging. Das hier empfohlene Buch eröffnet einen wertvollen Einblick in das Leben mit einer Depression.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2020
Seiten
333
Format
Taschenbuch
ISBN/EAN
978-3-518-47073-2
Preis
18,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Benjamin Maack, geboren 1978, studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Volkskunde. Er veröffentlichte die Kurzgeschichten- und Gedichtbände Du bist es nicht, Coca Cola ist es (2004), Die Welt ist ein Parkplatz und endet vor Disneyland (2007) und Monster (2012). Neben weiteren Auszeichnungen wurde ihm beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2013 der 3sat-Preis sowie der Förderpreis zum Hermann-Hesse-Preis 2016 verliehen. Er lebt und arbeitet als Autor und Journalist in Hamburg.

Zum Buch:

Benjamin Maack hat schon eine Depression überwunden, als es vier Jahre später wieder abwärts geht in der Spirale der Selbstabwertung, des dauerhaften Drucks und der Überforderung im Alltäglichen. Immer schwerer beherrschbare Panikattacken beim Kinder-ins-Bett-Bringen, beim Abendessen mit Freunden oder einfach beim Alleinsein. Die drängende Selbstbefragung, ob es ihm schlecht genug geht oder wie schlecht es einem eigentlich gehen muss, um aus dem Leben mit der Familie auszusteigen, aussteigen zu müssen, wird beim Aufnahmegespräch in der Psychiatrie als „Zäsurwunsch“ bezeichnet. Die ersten Tage in der Klinik sind noch von dem Wunsch durchdrungen, ein „guter Patient“ zu sein, krank genug, um überhaupt seine Anwesenheit rechtfertigen zu können, aber auch ausreichend kooperativ und ansprechbar, um weder die behandelnden Ärzt*innen noch das Pflegepersonal unnötig zu belasten.

Im Verlauf seines Klinikaufenthaltes verschwimmen die äußeren Umrisse eines vermeintlich normalen Lebens immer stärker, immer höher erscheint die Gravitationskraft der Erkrankung, die auf die Gabe unterschiedlichster Medikamente mit Nebenwirkungen reagiert, die ab jetzt abgewogen werden wollen gegen die Schwere der Depression selbst. Wie viel Müdigkeit und wie viel Gleichgültigkeit stehen noch im richtigen Verhältnis zum Nutzen der Psychopharmaka? Vorstellungen von Suizid als endgültigem Fluchtpunkt, als dreistufigem Weg in ein warmes Bad nach einem Tag im Schnee: vom Bewusstsein zum Unbewusstsein, vom Leben ins Sterben, vom Sterben in den Tod. „Drei bequeme Stufen. Klingt schön.“

Maacks Zustände geben die Form dieses Textes vor. Keine chronologische Abfolge der Tage, sondern sprachliche Bearbeitungen, Eingrenzungsversuche des schwer Beschreibbaren führen tief hinein in das, was Depression sein kann. Maack ringt mit seinem Hiersein, seinem Sosein, mit der nicht enden wollenden Angst vor den Blicken anderer, die aufdecken könnten, wie schlecht, wie unfähig, wie hassenswert er in Wahrheit ist. An den Tagen außerhalb der Klinik, in denen er versucht, am Leben seiner Frau und seiner beiden kleinen Kinder teilzunehmen, irgendwie zu funktionieren, ist das Weinen seines Sohnes Beweis dafür, ein wie schlechter Vater er ist, die Abwesenheit von Freude Beleg für sein allumfassendes Unvermögen. Aber auch in der Klinik gibt es für den Depressiven dafür genug Beweise. In der Trommeltherapie findet er den Rhythmus nicht, und Kunsttherapiestunden bieten unendliche Möglichkeiten zu versagen. Maack umschifft sie nicht, die tragikomischen Momente, distanziert sich aber deutlich von einer Romantisierung oder einem Kokettieren mit seinem Aufenthalt in der Psychiatrie. Neben allen vom Autor ungefiltert dokumentierten Zweifeln wird beim Lesen jedoch eines überdeutlich: Depression ist kein entgrenztes Selbstmitleid, keine übertriebene Introspektion, Depression ist eine schwere Erkrankung.

Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein reiht sich eindrucksvoll in die zeitgenössische Literatur ein, die Krankheit be- und verarbeitet, in der Autor*innen tiefe Einblicke in das Leben mit Krankheit ermöglichen. Wolfgang Herrndorf beschrieb in Arbeit und Struktur seine letzten Lebensmonate mit einem Hirntumor, Thomas Melle legte in Mit dem Rücken zur Wand seine bipolare Persönlichkeitsstörung offen, und Ruth Schweikert bearbeitet ihr Leben mit Krebs eindrucksvoll in Tage wie Hunde. Prosa, die Erkrankung gleichermaßen als Motiv und als Formgeber verwendet, ist immer sehr persönlich und weist trotzdem über den Einzelfall hinaus.

„Ich bin ein unglücklicher Mensch, der mit Glück überschüttet wird“ hatte sich Benjamin Maack als vorgefertigte und irgendwann ausgehöhlte Floskel bereit gelegt, wenn Freunde ihn fragten, wie es ihm geht, solange bis es eben nicht mehr ging. Das hier empfohlene Buch eröffnet einen wertvollen Einblick in das Leben mit einer Depression.

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt