Zum Buch:
Ist es eine Bestandsaufnahme, ein Abgesang, eine Trauerrede oder vielleicht doch eine funkelnde Ode an die Liebe, die Julia Schoch mit ihrem neuen Buch geschrieben hat? In jedem Fall beweist sie erneut ihr erzählerisches Können und beschwört mit präzise gewählten Worten schöne und hässliche, alltägliche und vor allem schonungslose Bilder einer über dreißig Jahre währenden Beziehung herauf.
Wie eine Liebe, um die sich die Welt zu drehen schien, über die Jahre zu einem Hintergrundgeräusch schrumpfen kann, wie zwei Menschen, die 31 Sommer zusammen verbrachten, 4 Küchen und 6 Autos miteinander angeschafft, 2 Kinder bekommen und großgezogen haben, einander vollständig fremd werden können, scheint erschreckend und alltäglich zugleich. Während die Protagonistin in der gemeinsamen Wohnung ein gemeinsames Abendessen kocht, plant sie in Gedanken minutiös ihre Trennung. Der Abschied scheint nur einen winzigen Schritt vom Fortführen der Beziehung entfernt. Was wäre sie denn, die Trennung, eine große Befreiung oder ein unermesslicher Verlust?
Julia Schoch lässt ihre Ich-Erzählerin nicht ohne Humor Rückschau halten und immer umfassender danach fragen, ob die Wahrnehmung des Kennenlernens, der ersten gemeinsamen Nächte, des Zusammenziehens und Kinderhabens eigentlich eine gemeinsame sein kann. Oder ob nicht vielleicht doch immer eine Kluft zwischen zwei Individuen bleibt – nur für eine gewisse Zeit überbrückt durch Verliebtheit – , ob die Welten letztlich doch unvereinbar bleiben, weil jeder mit der eigenen Geschichte in die Zweisamkeit gerät. Lesend kommt die Ahnung auf, dass die Entfremdung zwischen der Protagonistin und dem geliebten Partner vielleicht gar keine ist, sondern eher die empfundene Vertrautheit zu Beginn der Beziehung eine Selbsttäuschung war.
Ganz nebenbei blitzt auch Zeitgeschichte in der privaten Geschichte der Erzählerin auf: das Ende der DDR, Verbundenheit mit vergangenen Werten und ein wiederkehrendes Gefühl, aus der Zeit gefallen zu sein. Die Autorin reiht damit die individuelle Geschichte eines Paares in die Biografien anderer ein, die noch heute die Nachwehen eines geteilten Landes mittragen.
Knapp, nüchtern und vielleicht gerade deshalb so berührend berichtet Julia Schoch von den verschiedenen Gesichtern von Liebe und Beziehung. Das Liebespaar des Jahrhunderts ist eine ungemein sachlich erzählte Geschichte zweier Menschen, die einander entdeckten, enthüllten, förderten und bremsten, auseinanderdrifteten, sich manchmal eins fühlten und doch immer zwei geblieben sind.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt