Simone Weil wird als Marxistin, Anarchistin, Existentialistin oder christliche Mystikerin wahrgenommen und doch erschöpft sich ihre Person und ihr Werk nicht in diesen Zuschreibungen. Susan Sontag schrieb, jede Zeile Simone Weils lohne die Lektüre, Ingeborg Bachmann war fasziniert von der Bedingungslosigkeit ihrer Texte, Emmanuel Levinas erschreckte ebendiese. Albert Camus hielt Simone Weils Werk für eine der eigenständigsten Positionen seiner Zeit. Der in den letzten Lebensmonate in London entstandene Text sollte als Empfehlung für die Errichtung einer Nachkriegsordnung in Frankreich dienen und stellt doch zeitlose Grundfragen: Welche Möglichkeiten hat der Einzelne, sein Urteil über Probleme des öffentlichen Lebens kundzutun? Wie lässt sich verhindern, dass in dem Moment, da das Volk befragt wird, dies im Klima kollektiver Leidenschaft geschieht? Wie von demokratischer Legitimität sprechen, wenn solche Fragen nicht berücksichtigt sind. Simone Weils Plädoyer für eine generelle Abschaffung der Parteien reicht in seiner Schönheit und Strenge weit über den Kontext seiner Entstehung hinaus.