Zum Buch:
Tom Gauld ist ein sehr freundlicher Mensch. Seine Comicstrips, die er seit vielen Jahren wöchentlich für die britische Zeitung The Guardian zeichnet, wirken optisch keineswegs verstörend. Seine klaren, reduzierten Charaktere, seine Schraffuren („sie beruhigen mich“), sie trumpfen nicht auf. Und so einer zeichnet nun ein Rache-Buch? Und wie.
Dem Buch geht es nicht gut. Es verliert als Form seine Bedeutung. Wer das beklagt, gerät leicht in die Ecke beleidigten Kulturpessimismus´. Diese Haltung bedient Gauld eher nicht, das würde ihm keinen Spaß machen. Er macht sich lustig über Literatur und über den Betrieb, der sie in die Welt bringt. Er beschreibt süffisant die Kunst des Aufschubs beim Verfassen eines Buchs. Er gibt Verlagen Tipps, Klassiker mit „verringertem Anspruch aufzulegen“ (Der passable Gatsby; Bescheidene Erwartungen) oder Prequels schreiben zu lassen (Der junge Mann und das Meer). Und natürlich macht er sich auch über selbst lustig, z.B. bei der _Analyse der schwankenden Stapel ungelesener Bücher neben meinem Bett__.
Bei manchen Strips genügt schon die Überschrift, um sich alles weitere lächelnd vorstellen zu können. Warten auf Godot beim Zoom-meeting. Bei manchen ist es der Text im Bild: Als Gregor Samsa eines morgens erwachte, fand er sich in ein riesiges Ungeziefer verwandelt. Aber infolge des Lockdowns lebte er einfach wie gehabt weiter. Beide Beispiele zeigen, dass man mit literarischer Bildung mehr von diesem Humor hat. Wir Lesenden haben es schon immer gewusst, dass Bücher nicht anstrengend sind, sondern eine Sucht, eine Leidenschaft, die sich lohnt, die uns belohnt. Und nur uns. Witz verstanden. Das ist die süße Rache der Bücher.
Ein Wort zur englischen Sprache. Für eine gendergerechte Übersetzung war der Originaltitel The revenge of the librarians zu sperrig. Unübersetzt blieben vier nützliche Begriffe für Leser:innen: Buchendschmerz. Leichtlesebucheifersucht. Stapelschuldgefühl. Buchverlusterleichterung. Sie hat Tom Gauld auch im Original aus der deutschen Sprache zusammengebaut. Die Briten mögen lange deutsche Wörter.
Wenige Zeichner haben mehr Cover des New Yorker gestaltet als Gauld.Seine Zeichnungen und sein darin verwobener Humor sind stilbildend. Er hat berührende Comics gemacht (Goliath), zuletzt ein wundervolles Kinderbuch (Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin). Das Genre des kurzen Strips bietet ihm die Form, in der er seine Vielseitigkeit am besten unterbringen kann. Die gut 150 Strips aus dem Guardian, die in diesem sorgfältig hergestellten Buch versammelt sind, stellen das kurzweilig unter Beweis.
Jakob Hoffmann, Frankfurt a.M.