Selten wurden die Grenzen zwischen Fiktionalität und Faktizität so verschwimmend erlebt wie gegenwärtig: Die Digitalisierung der Lebenswelt und der »narrative turn« in den Wissenschaften scheinen die Wirklichkeit in eine Summe von Bildern, Zeichen und Erzählungen aufgelöst zu haben. Der Literaturunterricht hat es im Kern mit der spezifischen Realität von Fiktionen zu tun. Er erscheint also in besonderer Weise geeignet, sich mit der Sprache auf den Weg zu einer Wirklichkeitserfahrung jenseits bloßer Faktizität zu begeben: Dorthin, wo die Auseinandersetzung mit sprachlichen Grenzphänomenen zugleich Selbstwerdung und Weltbegegnung verheißt. Anhand von zahlreichen Beispielen aus dem Sprach- und Literaturunterricht an Waldorf-Oberstufen werden aktuelle Themen und Herausforderungen literarischer Bildung thematisiert und aus verschiedenen Perspektiven pluralistisch begründet.