Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon eine Weile her, da bestand katholischer Religionsunterricht – zumindest in der Oberstufe – im Kern in der Auseinandersetzung mit Texten, theologischen oder offiziell kirchlichen, philosophischen oder auch literarischen. Die Schwierigkeitsgrade nach Inhalt und Sprache waren oft hoch, erforderten bei Lehrenden und Lernenden die Bereitschaft, sich auf einen zuweilen anstrengenden, mühsamen und langwierigen Verstehensprozess einzulassen, um dann wohlgerüstet in einen gemeinsamen Diskurs eintreten zu können. Textverstehen wurde geübt, ihm wurde Priorität zugestanden, galt es doch sowohl in der textbasierten mündlichen wie schriftlichen Abiturprüfung mit mehr oder weniger schwierigen Textauszügen angemessen umzugehen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich in dieser Hinsicht so manches geändert – und das ist in vielerlei Hinsicht auch gut so. Sich verändernde Lebenswelten stellen andere Herausforderungen an Schule und Unterricht, sie bedürfen neuer Wege, wozu auch Medien und Methoden gehören. Dennoch dürfte außer Frage stehen: Lesekompetenz und Textverstehen sind nach wie vor elementare Bestandteile von Bildung, sie zu fördern – auch mit solchen Texten, die Schülerinnen und Schülern eher fern sind – muss Anliegen auch des Religionsunterrichts sein, wenn Schülerinnen und Schüler religiös sprachfähig werden sollen. Denn: Theologie ist sprach- und damit textgebunden. Diesem Bildungsauftrag sieht sich die vorliegende Publikation verpflichtet. Mit ihren Beiträgen will sie Religionslehrerinnen und Religionslehrer dazu ermutigen, Textarbeit im Religionsunterricht wieder neu zu entdecken und zu wagen. Im Grundlagenteil liefert Ralf Gartner einen philosophischen Zugang zum Textverständnis und zieht Konsequenzen für den Religionsunterricht aus der philosophischen Hermeneutik von Hans- Georg Gadamer und anderen. Stefanie Golke und Jörg Wittwer beschreiben aus lernpsychologischer Perspektive, wie Textverstehen funktioniert und welche Faktoren zu einem gelingen- den Textverständnis beitragen können. Anhand von konkreten Beispielen setzt sich Bernhard Bosold mit der Frage auseinander, welche Texte im Religionsunterricht geeignet sind, religiöse Fragen zu wecken. Die beiden Beiträge von Georg Gnandt führen vom Bildungsplan 2016 zur Unterrichtspraxis: Zum einen geht es um die Frage, wie die prozessbezogene Kompetenz, religiös bedeutsame Sprache und Zeugnisse zu deuten, langfristig aufgebaut werden kann; zum anderen darum, wie und mit welchem Material es möglich ist, die Lesefähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu diagnostizieren. Diesen Teil ergänzt Sabine Mirbach mit einer weiteren praktischen Vertiefung. Einen allgemeinen Überblick über mögliche methodische Herangehensweisen an einen Text gibt Valentin Schneider. Biblische Schwerpunkte setzen die Beiträge von Andreas Wronka und Monika Warmbrunn zum Umgang mit schwierigen Bibeltexten und zum Psalm 104 in der Übertragung von Huub Oosterhuis. Neben dem Thema Ganzschriften im Religionsunterricht, dem sich Marlies Berg widmet, zeigt Petra Maas konkrete Unterrichtsbeispiele zur Arbeit mit Tablets. Auch zu fächerverbindendem Unterricht bieten wir Ihnen zwei Beispiele an: Daniela Matkovic stellt eine Unterrichtssequenz zu Georg Büchners Anti-Gottesbeweisen aus der Pflichtlektüre Dantons Tod vor, die in Zusammenarbeit mit dem Fach Deutsch durchgeführt werden kann. Ute Arnold zeigt auf, wie Parabeln von Bertolt Brecht religiös gedeutet werden kön- nen. Einige ausgewählte Primärtexte von Eugen Biser mit texterschließenden Fragen von Hannes Bräutigam runden diese vierzehnte Ausgabe der Reihe themen IM RELIGIONSUNTERRICHT ab. Wir wünschen Ihnen eine gewinnbringende Lektüre und hoffen, dass die vielfältigen Anre- gungen und konkreten Unterrichtshilfen Sie zur Textarbeit im Religionsunterricht motivieren.