»Man sieht nur mit dem Herzen gut.« Diese Weisheit von Antoine de Saint-Exupéry kannten die großen Mystiker und Mystikerinnen der Welt schon seit jeher. Eines der frühesten Zeugnisse dieser bedeutsamen Einsicht aus der Tradition der islamischen Mystik finden wir in der »Aufklärung über den Unterschied zwischen der Brust, dem äußeren Herzen, dem inneren Herzen und dem Herzensverstand« von al-Ḥakim at-Tirmidhī aus dem neunten oder zehnten Jahrhundert. — Der hier erstmals auf Deutsch (zusammen mit dem arabischen Original sowie einem ausführlichen Glossar) vorliegende Text erläutert in berührend poetischer Sprache ein erstaunlich kohärentes spirituell-psychologisches System der Interaktion zwischen dem Herzen (qalb) und dem Selbst (nafs), dessen Konzepte und Begrifflichkeiten er aus einem tiefen sufischen Verständnis des Korans und der Überlieferung (ḥadīth) herleitet. Darin werden die verschiedenen inneren »Herzenslichter« – wie das des Verstandes, der Hingabe, des Glaubens, der Erkenntnis, der Kontemplation, der Tugend, der Wahrheit oder der Vereinigung (tauḥīd) – als Gleichnisse für die Stationen entlang des geistigen Pfades der Selbsterkenntnis und Vervollkommnung anschaulich und lebendig beschrieben. — Dem Orientalisten und Tirmidhī-Experten Nicholas Heer ist mit dieser sorgfältig editierten, übersetzten und kommentierten Ausgabe des einzigen erhaltenen Manuskripts der «Bayān al-farq bayn as-ṣadr wa al-qalb wa al-fu’ād wa al-lubb» ein großartiger Beitrag zur Erforschung und zum Verständnis des frühen Sufismus gelungen.