Im Zentrum der Studie steht die Beduinenfigur, die in den Kontext nomadisch-sesshafter Beziehungen zu stellen ist. Im Fall der arabischen Literatur handelt es sich dabei überwiegend um den Blick Sesshafter auf den Nomaden. Wenn auch viele Elemente der Beduinenfigur der beobachteten Realität entnommen sein mögen, erfüllt sie jedoch unabhängig davon bestimmte Funktionen im arabischen Diskurs. Aufgrund ihrer Ambivalenz und Ambiguität eignet sich die Beduinenfigur in besonderem Maße dazu, heikle Themen anzusprechen und Standpunkte einzubringen, die die geforderte politische, religiöse und soziale Anpassung subtil unterlaufen.Obwohl der Beduine als literarisches Phänomen in der im weitesten Sinne „orientalistischen“ Fachliteratur durchaus wahrgenommen wird, fehlte jedoch bisher eine monografische Arbeit, die den Beduinen in den Fokus nimmt. Mit dieser Studie, die sich überwiegend literaturwissenschaftlicher Methodik bedient, soll in dieser Hinsicht eine Lücke geschlossen werden.In den ersten beiden Kapiteln der Untersuchung wird dargestellt, dass der Beduine der arabischen Texte über ein festes Repertoire an Eigenschaften und Verhaltensweisen verfügt. Er prägt damit eine eigenständige literarische Figur aus. Gleichzeitig wird gezeigt, dass es sich um eine diskursive Figur handelt. Wichtige Themen des Diskurses, in denen die Beduinenfigur verwendet wird, kommen im dritten Kapitel zur Sprache.Im vierten und fünften Kapitel werden jeweils Textbeispiele der Textsorten religiöse Literatur, Koran, tafsir, hadit und Prophetenbiografie, sowie säkulare Literatur, hauptsächlich adab und biografische Literatur, besprochen. Ausgehend vom Koran zeigt sich in den Werken der religiösen Literatur eine stereotype bzw. in ihren Bestandteilen formularische und konventionalisierte Beurteilung des Beduinen. Ambivalenter ist hingegen das Beduinenbild der schöngeistigen Literatur, das über ein sehr breites Spektrum an Ausprägungen der Figur verfügt. Die verschiedenen vorgestellten adab-Texte enthalten divergierende Positionen zu Themen des Diskurses. Mitunter sind ein und demselben Text unterschiedliche Stellungnahmen der Tradenten abzulesen.Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Studie darlegt, wie eine literarische Figur, deren Vorlage im nomadischen Kontext zu suchen ist, eine von dieser Herkunft unabhängige eigene Wirklichkeit und Bedeutung im Diskurs erlangt hat.