Filme aus dem Motivkreis Armut waren im frühen Kino weit verbreitet. Geschichten von herumziehenden Vagabunden, ehrlichen Blumenmädchen oder trunksüchtigen Vätern bewegten das Kinopublikum der Kurzfilmprogramme. In den beliebten sozialen Dramen traten ab 1910 die ersten deutschen Kinostars Asta Nielsen und Henny Porten als arme Heldinnen auf. Soziale Dramen erzählen von Armut in der modernen Großstadtgesellschaft aus dem Blickwinkel der Frau und artikulieren auch moralisch ambivalente Themen wie uneheliche Mutterschaft oder erotische Abenteuer. Diese vielfältigen Variationen in der Darstellung von Armut legen nahe, dass sie ein zentrales Thema für die damalige Filmproduktion war und den Geschmack des Kinopublikums traf. Im Zentrum der Untersuchung steht die kinematographische Inszenierung von Armut und Wohltätigkeit in Filmen aus europäischen Ländern sowie die Relevanz dieser Thematik für die Etablierung des frühen Kinos als neues Massenmedium.