Zum Buch:
Meiner Meinung nach passiert es einem Schreiber wirklich ganz, ganz selten, dass er sich selbst über offensichtliche Wiederholungen freut. Aber hin und wieder kommt es eben vor, dass man mehrmals hintereinander Sachen schreibt wie zum Beispiel:
“Ein Buch wie das vorliegende kann einfach nur in der Reihe DIE ANDERE BIBLIOTHEK erschienen sein.”
Und dann freut man sich eben, denn es ist schlicht und ergreifend die Wahrheit. Wie oft habe ich mich in den letzten Jahren, ach was, in den letzten Jahrzehnten schon gefragt, wo zum Teufel die eigentlich solche Schätze wie diesen hier ausgraben.
Der Franzose Albert Londres, der 1932, mit nicht mal fünfzig Jahren, auf der Rückreise von einer Reportagetour bei einem Schiffsbrand ums Leben kam, gilt als einer der Begründer des investigativen Journalismus, wobei sein Stil, wenn überhaupt, vergleichbar ist mit Schriftstellern wie P. Howard oder P.G. Wodehause.
Albert Londres war eine Art Rasender Reporter, den es nie lange an einem Ort hielt, und der immer dort, wo es etwas Interessantes zu entdecken gab, seine Nase tief reinstecken und nachhaken musste. Ein Reporter, der sich nicht lange mit Recherchen aufhielt, sonder der immer gleich dort war, wo es brannte und der in seinen Reportagen stets auf Missstände hinwies und sich nicht vor Skandalen scheute, die seine Publikationen nach sich ziehen mussten.
“Hier sprechen wir nur zu Menschen, die es gewohnt sind, die Betten zu wechseln. Die anderen würden uns nicht verstehen. Ich wachte nachmittags in diesem Zustand der Glückseligkeit auf, der Weltgereisten wohl vertraut ist. Wo war ich? In Kairo? In Tokio? In New York? Köstlicher Augenblick, in dem man nicht mehr weiß, wo man lebt! Könnte die Möwe den Breitengrad der Welle angeben, die sie wiegt?“
In dem vorliegenden Band werden drei seiner Arbeiten erstmals auf Deutsch veröffentlicht: Reportagen über das von aufeinanderfolgenden Bürgerkriegen gebeutelte China (1922), über das jüdische Mitteleuropa (1929), und schließlich, was mir am besten gefallen hat, über eine Expedition durch die Länder des Orients (1931). Wo er sich auch befindet, er lässt sich durch nichts und niemanden aufhalten und hat immer den richtigen Riecher, sobald es um die Aufdeckung von Ungerechtigkeiten geht. Und er beschreibt nur das, was er sieht und überlässt es uns, darüber zu urteilen. Denn schon im nächsten Moment ist er wieder verschwunden, um sich an irgendeinem Flecken der Welt einem nächsten Thema zu widmen.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln