In seinem Drama �dipus und die Sphinx aus dem Jahr 1905 schickt Hugo von Hofmannsthal seine Protagonisten heroisch auf die Schlachtbank. Ihrem Willen zum Selbstopfer entspricht die wiederkehrende Formel �Der Priester sein und auch zugleich das Opfertier�. Die Literaturwissenschaft hat diese krasse Darstellung kaum hinterfragt. Torsten Zei� zeigt dagegen in fundierter Analyse, wie die Verherrlichung des Selbstopfers in Hofmannsthals Begeisterung f�r den Ersten Weltkrieg m�ndete. Vom Weltenbrand versprach sich der Dichter wie viele Intellektuelle seiner Zeit �reinigende� Wirkung. Dabei suchte Hofmannsthal nach herk�mmlichen Mustern einen S�ndenbock f�r die entstandene Krise. Den galt es zum Wohle aller zu opfern. Zei� beruft sich bei dieser Deutung auf den Religionsphilosophen und Literaturwissenschaftler Ren� Girard, der die gesellschaftsgr�ndende Erfahrung des Vers�hnungsopfers in seiner Mythentheorie eingehend beschrieb. �dipus ist f�r Girard ein klassischer S�ndenbock. Vatermord und Inzest sind typische Anklagen, wie sie gegen Unschuldige erhoben werden, um ihre Aussto�ung zu begr�nden. Mit der christlichen Botschaft der N�chstenliebe aber erscheint nicht nur die biblische Passionsgeschichte, sondern auch Hofmannsthals �dipus in neuem Licht.