Medizinisches Handeln im Nationalsozialismus weist im Kontext von Zwangsarbeit einen spezifischen Doppelcharakter auf: Ausländerinnen und Ausländer mussten Zwangsarbeit im Gesundheitswesen verrichten, zugleich war der Zugang zu medizinischer Versorgung für Zwangsarbeitende aller Bereiche von existenzieller Bedeutung und systematisch eingeschränkt. „Volkskörper“-Ideologie und NS-Rassenhierarchie beeinflussten medizinisches Handeln, während gleichzeitig ein Interesse an fortwährender Ausbeutung der „fremden“ Arbeitskraft bestand. Die Studie bietet einen Überblick über Ausmaß und Art von Zwangsarbeit in medizinischen Einrichtungen in einer konkreten Region (Südniedersachsen). Statistische Auswertungen wie auch umfangreiche Tiefenanalysen von Krankenkassendaten erhellen die gesundheitliche Situation Zwangsarbeitender und zeigen, wie weit rassistische Vorgaben den Zugang zu gesundheitlicher Versorgung bestimmten. Auswertungen aus der stationären Versorgung bestätigen diese Befunde am Beispiel der Häufigkeiten, Verläufe und Relationen von Krankheiten bei Zwangsarbeitenden. Biographische Zeugnisse führen die subjektive Perspektive der Betroffenen in die Analyse ein und konkretisieren und erweitern die Ergebnisse. In beiden Funktionen des Gesundheitswesens – als Beschäftigungsort und bei medizinischer Versorgung – blieben Zwangsarbeitende in Abstufungen im Objektstatus. Einzelne Aspekte des historischen Befundes sind in der gegenwärtigen medizinischen Praxis auch in Bezug auf besonders gefährdete Migrantengruppen relevant. https://zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu/