L.L. Zamenhof (1859–1917), vor allem als Erfinder der internationalen Plansprache Esperanto in die Annalen eingegangen, ist weniger bekannt als Theoretiker der „jüdischen Frage“. Als Ostjude geboren, war er in vielerlei Hinsicht Demütigungen, Diskriminierung und nationalem Chauvinismus ausgesetzt. Er musste erleben, wie sich Menschen hassten, verachteten und einander Leid zufügten, nur weil sie sich einem anderen Volk zugehörig fühlten, also in einer anderen Sprache redeten und sich zu einer anderen Religion bekannten. Als Vertreter eines Volks, das seit zweitausend Jahren in der Diaspora lebte, seiner Rechte beraubt und immer wieder grausam verfolgt wurde, kam Zamenhof, um die „jüdische Frage“ zu lösen, auf die Idee, mit dem Esperanto eine neue Sprache und mit dem Hillelismus bzw. Homaranismus eine neue Religion für die Juden zu schaffen, sie aber zugleich als „Allmenschentumsethik“ zu begreifen. Im Unterschied zu den bisher erschienenen Lebensbeschreibungen trägt Andreas Künzli in seiner Biographie der zentralen jüdischen Dimension bei Zamenhof Rechnung und schenkt seinem bisher eher vernachlässigten Judentum und dessen Auswirkungen auf sein Denken und Handeln größere Aufmerksamkeit. 150 Jahre nach Zamenhofs Geburt werden so Leben und Werk erstmals im Sinne seines angestrebten Beitrags zur Lösung der „jüdischen Frage“ anhand einer umfassenden Quellenlage wissenschaftlich aufgearbeitet und in einem breiteren historischen Kontext beleuchtet. Kernstück des Anhangs ist die Veröffentlichung von Zamenhofs Hillelismus aus dem Jahre 1901, der jetzt erstmals in deutscher Sprache vorliegt.