Dialektik bei Platon wurde bisher nur in defizitärer Weise verstanden. Dies liegt, wie Petra Schmidt-Wiborg zeigt, an einem Spannungsverhältnis: Auf der einen Seite steht der universale Anspruch, alles in seiner Einheit dialektisch bestimmen zu können, auf der anderen Seite ist das Denken strukturellen Bedingungen unterworfen, unter denen Einheit schwerlich einzuholen ist. Dies wird verkürzt, wenn heute Dialektik teils als prinzipientheoretische und axiologische Begründung, teils als Anwendungswissen gedeutet wird. Textnah zeigt die Autorin, wie im Philebos das dialektische Wissen ausdrücklich in Rücksicht auf seine problematischen Bedingungen konzipiert wird. Dialektik setzt Vernunft als Ursache und zugleich als teleologisches Wissen des Guten voraus. Vernunft soll im Handeln und in der Welt insgesamt für Einheit sorgen und am Werke sein in der dialektischen Darstellung der Bestimmung des Seienden. Auch Parmenides und Sophistes prägt dasselbe Spannungsverhältnis zwischen Anspruch und Bedingungen der Dialektik, welches der Philebos zu lösen verspricht, das er aber - so das Ergebnis dieser systematischen Rekonstruktion der Dialektik - im doppeldeutigen Vernunftbegriff im Grunde bestätigt.