Zum Buch:
Bjarni ist mit Leib und Seele Bauer an den steinigen Ufern Islands. Zeit seines Lebens macht er das Land urbar, verwandelt es in grüne Flecken mit dichtem, reifem Gras. Seine Frau Unnur ist unfruchtbar, mehr noch, nach einer Operation schmerzt jegliche Art der Liebe sie in unerträglicher Weise. Helga vom Nachbarhof entfacht Bjarnis Besessenheit: ein starkes Feuer, allumfassende Lust. Birgisson lässt den Gealterten die Geschichte dieser brennenden Liebe in einem letzten Brief erzählen.
Eine Weile gelingt es ihm, standhaft zu bleiben, trotz ihrer Rundungen, die sie enthüllt, trotz seiner Hilfe beim Decken der Schafe. Doch dann sieht er ihren Körper überall: in den Bülten der Landschaft ihre Brüste, ihre Lenden neben der Schafskrippe. Bjarni steht in der Blüte seines Lebens, sein Deckwidder und er sind in bestem Saft. Das Heu wird Bjarnis und Helgas Bett, die Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen zwischen den Brettern fallen, steigern ihre Lust.
Doch dann ist sie plötzlich vorbei, die Zeit der Brunft. Denn Helga fordert ihren Liebhaber auf, mit ihr in Rejkjavík ein neues Leben zu beginnen. Der Bauer und sein Land, sie sind untrennbar miteinander verbunden, dieses Band ist stärker, als es die Lust und das Begehren einer Frau jemals sein könnten.
Was Bergsvein Birgisson hier sprachlich entfacht, ist nicht nur eine unbändige, unersättliche, fleischliche Lust des Körpers, der Liebe, des ursprünglichen Seins. Diese Lust ist auch immer mit der Landschaft, mit den Schafen, mit dem Leben in der Natur verbunden. In der Stadt wird sie unvorstellbar, kein dichtes reifes Gras, in dem man versinken könnte, mit dem ganzen Körper oder nur mit dem Steifen, den der Bauer in der feuchten dreieckigen Quaste versenkt. Sein vollständiger Name – Bjarni Gíslason auf Kolkustadir – wird erst genannt, nachdem er sich lebensmüde dem Meer überantwortet und dann wieder mit aller Kraft zurück in sein Boot gehievt hat. Er ist doch noch nicht bereit zu sterben, noch kein Gerufener. Erst als es soweit ist, wird er sich in seine Landschaft setzen und zu schreiben beginnen.
Susanne Rikl, München