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Ferdydurke

Autor
Gombrowicz, Witold

Ferdydurke

Untertitel
Aus dem Polnischen von Rolf Fieguth. Vorwort von Susan Sontag
Beschreibung

Mit der im Kampa neu erschienen Werkausgabe wird Witold Gombrowicz erneut nicht nur als eine der wichtigsten Stimmen der polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts, sondern der Weltliteratur überhaupt diskutiert und sichtbar gemacht. Der sogenannte Anti-Bildungsroman Ferdydurke ist exemplarisch für das in Gombrowiczs Werk zentrale Nachdenken über das Konzept und die Form der Unreife ebenso wie für sein radikales und einfallsreiches Sprachgefühl. Letzteres ist in der Übersetzung von Rolf Fieguth wundervoll nachempfunden.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Kampa Verlag, 2022
Seiten
368
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-311-10101-7
Preis
25,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Witold Gombrowicz wurde 1904 als Sohn eines Landadeligen in Maloszyce in Polen geboren. 1911 zog die Familie nach Warschau, wo Gombrowicz nach Abschluss der Schule Jura studierte. Von 1929 bis 1934 arbeitete er an einem Warschauer Gericht, widmete sich jedoch bald ausschließlich der Literatur. 1937 erschien Ferdydurke und löste eine heftige literarische Debatte aus. Im Sommer 1939 wurde Gombrowicz in Buenos Aires vom Ausbruch des Krieges überrascht. Er blieb 24 Jahre lang in Argentinien, das für ihn zur zweiten Heimat wurde. In dieser Zeit entstanden fast alle seine Werke, die ab 1950 auf Polnisch zuerst in Paris veröffentlicht wurden. 1963 kehrte Gombrowicz nach Europa zurück. Seit 1964 lebte er, abgesehen von einem einjährigen Aufenthalt in Berlin, im französischen Vence, wo er 1969 starb.

Zum Buch:

Ferdydurke ist ein Roman, der nicht zuletzt in dem Sinne Weltliteratur ist, als dass er sich sehr freimütig mit Assoziationen und Entlehnungen daraus schmückt. Er setzt ein mit einer Szene, in der Josi, der Protagonist, zwischen Schlafen und Wachen nur mit Mühe zu sich selbst zurückfindet, eine Parallele zu einem der wohl berühmtesten Romananfänge überhaupt: Prousts Unterwegs zu Swan. Ab diesem Moment geht es mit Josi, kurz gesagt, bergab, und die Bezüge zu den größten Werken der Literaturgeschichte entpuppen sich als Persiflagen und Parodien. Josi hat mit 32 Jahren soeben seine Abhandlung über die Unreife vollendet, als ihn der Kulturphilologie und „Pauker“ Pimko geradewegs beim Wort nimmt und ihn als unreif in die Adoleszenz zurückverweist und wieder einschult. Dort versucht Josi vergebens, in sein altes Leben als Erwachsener zurückzufinden, dessen Voraussetzung gerade jene zumindest vordergründig konsistenten Persönlichkeit ist, die zu erreichen ihm unmöglich erscheint. Stattdessen begleitet die Leserin den verkindlichten Josi bei seinen Kämpfen zwischen verschiedensten Idealen der Kindheit und Jugend – die Unschuldigen und vom Pauker Pimko angefeuerten Unverdorbenen gegen die überschwängliche Sexualisierung und im Grunde selbst prüde Ausgelassenheit der Jünglinge, die es in die Natur zieht.

Es ist diesem kurzen Einblick in die Handlung leicht zu entnehmen, dass es sich bei Ferdydurke um einen sogenannten Ideenroman handelt: das Motiv der Unreife, das Gombrowicz auch in seinen übrigen Werken beschäftigt hat, wird nicht nur im Handlungsrahmen, sondern auch im Stil des Romans verhandelt und ausgestellt. Gombrowicz erweist sich in diesem Roman aus dem Jahre 1938 als enthusiastischer und zum Teil bitterbös zynischer Sprachspieler, der das menschliche Streben nach und die gesellschaftliche Relevanz von Vollständigkeit, Richtigkeit oder Rationalität gnadenlos auseinandernimmt.

Nicht zu Unrecht gilt Ferdydurke einerseits als internationaler Kultroman und andererseits als beständige Größe in der polnischen Literatur. In einer Gegenwartsliteratur, die den realistischen Roman, wenn nicht als Vorbild, so doch als gängige Form hat, kann der Einstieg in sein Werk durchaus etwas schwierig sein, nichtsdestoweniger lohnt es sich. Dieser Roman, der zugleich Abhandlung und Essay sein will, ist kurzweilig, lustig und wahnsinnig klug zugleich.

Theresa Mayer, Frankurt a.M.