Zum Buch:
Ein junges Paar in einer neuen Umgebung, mit einem neuen Kind, in einem neuen Leben auf dem Land. „Wir in Velling wollen was“ steht auf dem Ortsschild, die Windräder machen Musik zu dieser freundlich allgemein gehaltenen Aussage. Stine Pilgaards Roman erzählt vom Alltagsleben in einem Landstrich, in dem die Sätze der Einheimischen so kurz sind, dass man Mühe hätte, eine durchschnittliche Kommunikationseinheit zu ermitteln.
Nach Westjütland hat es das unverheiratete Paar samt Baby verschlagen. In eine Gegend, in der das meteorologische Institut das vorbeiziehende Wetter in Metern pro Sekunde berechnet. Hier wurden die Windräder zu einer Zeit erfunden, als es für Jugendliche, eigentlich für alle, nicht viel mehr gab als „Gott oder Fisch oder Kreisverkehr“ – Originalton von Mona, der zweiten Fahrlehrerin unserer namenlosen Erzählerin, und es ist eindeutig einer ihrer längeren Sätze. Mona hat den ersten Fahrlehrer relativ rasch abgelöst, ein dritter wird folgen. Keine besonders erbauliche Erfahrung, auch die Reisekrankheit am Steuer trägt nicht gerade zum eigenen Wohlbefinden bei.
Zudem fühlt sich die Erzählerin als Anhängsel ihres Liebsten, eines Lehrers an der Heimvolkshochschule, ein wenig überflüssig. Bis die Schulleiterin für sie eine Anstellung bei der Tageszeitung findet. Da wird jemand für den Kummerkasten gesucht, für die Erzählerin eindeutig ein Volltreffer: Ihre Kommentare sind witzig, unerwartet, aufmunternd und ehrlich.
Wie sie ihre Mitmenschen zum Reden bringt, will sie dann aber doch noch von Anders Agger lernen, einem in der Gegend überaus populären TV-Reporter. Sein Tipp: „Wenn du lange genug nichts sagst, machen sie irgendwann den Mund auf.“ Schwierig für jemanden, der gern, viel und lange spricht und alle Babythemen so satt hat wie das Windelwechseln; deren Sohn bis kurz vor Ende des Romans ein einziges Wort sagt, nämlich „Muh“. Das neue Wort, auf das seine Tagesmutter – ganz zu Recht – unendlich stolz ist? „Mäh.“
Aufkeimende Verzweiflung wird mit Galgenhumor kuriert, die in den Partner verknallten Schulmädchen nach letztlich doch noch erworbenem Führerschein im Auto mitgenommen und beraten, alte Volksliedmelodien mit neuen, revolutionären Texten aufgepeppt. Ein lebensechter Roman mit einer schlagfertigen Erzählerin, deren Blick auf den Alltag des Landlebens vor allem eins macht: gute Laune! Ausgezeichnet mit dem goldenen Lorbeer, in der Nachfolge von Autoren wie Peter Hoeg.
Susanne Rikl, München