Zum Buch:
Es ist Sommer. Für die zwölfjährige Nora gibt es nichts Schöneres, als mit ihrer angebeteten Tante Lídia sonntags zu dem großen Badesee in den Pyrenäen zu fahren, den Tag am Wasser zu verbringen, in der Sonne zu liegen und zu schwimmen. Am liebsten wäre Nora mit ihrer Tante, die schön und heiter ist und von allen geliebt wird, alleine dort. Aber wie immer treffen sie im Zug Senyor Joaquim, den Verkäufer aus dem Schuhgeschäft, das Lìdias Mann betreibt, mit Milagros, seiner Mutter, seiner Frau Marieta und ihrem fünfjährigen Sohn Quim – auf den Nora gerne verzichten würde. Der Kleine ist quengelig und schiebt sich immer in den Vordergrund. Später am Tag soll Toni, Lídias Mann, zu ihnen stoßen, der vorher noch etwas zu erledigen hat.
Eigentlich ist alles wie immer: Die Gruppe findet ihre Lieblingsstelle am Wasser unbesetzt, Quim will, dass man mit ihm spielt, Nora wartet sehnlich darauf, ins Wasser zu dürfen, und die Erwachsenen reden. Aber etwas ist anders. Mit wacheren Blicken als sonst nimmt Nora die Erwachsenen um sich herum wahr, fühlt deren Unsicherheit und Gereiztheit, hört ihr falsches Lachen und ihre unterdrückten Emotionen. Sie spürt Senyor Joaquims Verachtung für seine Mutter und seine Frau und seine Bewunderung für Lídia und Tonis latente Verärgerung gegenüber allen – außer den Kindern. Als der fünfjährige, nervige Quim, auf den Nora für kurze Zeit aufpassen soll, vor ihren Augen im Wasser verschwindet, verändert sich alles. Dieses Ereignis steht am Anfang, bildet aber das Zentrum des ganzen Buches. Am See ist – anders als man danach erwarten könnte – keine dramatische Geschichte über ein Kindheitstrauma. Im Gegenteil! Das Buch ist ein leichter, atmosphärisch dichter Text über die Umbrüche zwischen Kindheit und Jugend, über Männer und Frauen, klarsichtig beobachtet durch die Augen einer Zwölfjährigen – klug, fesselnd und unterhaltsam.
Ruth Roebke, Frankfurt a. M.