Zum Buch:
Als Hannah nach dem Tod der Mutter noch einmal aus der Stadt auf den Hof fährt, um deren letzten Willen zu erfüllen, glaubt sie, bald wieder zurück zu sein. Sie muss ja nur den Lieblingshahn der Mutter schlachten, so wie die das gewünscht hatte. Theodore, der Einäugige, hatte ihre Mutter freundschaftlich begleitet und sollte vermutlich nach ihrem Tod nicht einsam sein. Hannah, die Vegetarierin, hat schon lange nicht mehr geschlachtet, macht sich aber tapfer ans Werk. Nur: Was tun mit dem toten Tier? Auf den Müll werfen wäre eine Respektlosigkeit gegenüber Hahn und Mutter. Also bleibt sie noch eine Nacht und mietet einen Marktstand, um Theodore zu verkaufen. Und um ihn zu würdigen, gibt sie ihm noch eine Biografie und einen Nachruf mit.
Fahren kann sie aber auch danach noch nicht. Schließlich muss sie überlegen, was sie mit dem ererbten Hof und den dreihundert darin lebenden Hühnern tun soll. Verkaufen? Interessenten gibt es genug, und auch Louis, ihr Lebensgefährte, rät ihr zu. Aber da sind die Hühner, für die sie sich verantwortlich fühlt. Schließlich sind es Lebewesen, ausgestattet mit charakterlichen Merkmalen und durchaus auch mit Individualität. Sie sollen glücklich leben vor ihrem absehbaren Ende auf dem Markt. Und diejenigen, die sie verzehren, sollen wissen, dass sie es mit Persönlichkeiten zu tun haben. Viel Erfolg hat sie mit ihrem Konzept zunächst nicht, und auch die Konkurrenz auf dem Markt und im Dorf ist nicht begeistert. Es kommt zu Schlägereien und Überfällen auf den Hof; tote Tiere liegen herum. Erst die Bekanntschaft mit Fernand, Supermarktbesitzer und Marketingfachmann, eröffnet die Möglichkeit, den Hof rentabel und die Hühner glücklich zu machen. Zunächst jedenfalls. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse, und es kommt zum Showdown, nicht nur für die Hühner …
Die Ballade vom vakuumverpackten Hähnchen ist ein so skurriler wie schwarzhumoriger, so surrealer wie bitterbössatirischer, so zärtlicher wie blutiger Roman, dessen Protagonistin man nicht so schnell vergessen wird und in dem man sehr viel über das Leben der Hühner, aber noch mehr über das der Menschen erfährt, die in vielerlei Hinsicht nicht weniger vakuumisiert leben als die Hähnchen in der Fleischtheke. Für LeserInnen mit starken Nerven ein sehr viel größerer Genuss als ein guter Coq au vin!
Irmgard Hölscher, Frankfurt a. M.