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Monschau

Autor
Kopetzky, Steffen

Monschau

Untertitel
Roman
Beschreibung

Steffen Kopetzky war mit seinem Roman Risiko für den Deutschen Buchpreis nominiert; er ist bekannt für seine historischen, faktenreichen Romane, seinen soghaften Stil, seine mitunter kolportagehaften Konstruktionen. Auch mit Monschau wird er diesem Ruf mehr als gerecht, aber anders hätte ich mitten in einer Pandemie auch gar nicht über eine Seuche lesen wollen: Nämlich über den Ausbruch der Pocken in dem Eifelstädtchen Monschau zu Beginn der 1960er Jahre.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Rowohlt Berlin, 2021
Seiten
352
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-7371-0112-7
Preis
22,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Steffen Kopetzky, geboren 1971, ist Autor von Romanen, Erzählungen, Hörspielen und Theaterstücken. Sein Roman “Risiko” (2015) war für den Deutschen Buchpreis nominiert, “Propaganda” (2019) für den Bayerischen Buchpreis. Von 2002 bis 2008 war Kopetzky künstlerischer Leiter der Theater-Biennale Bonn. Er lebt mit seiner Familie in seiner Heimatstadt Pfaffenhofen an der Ilm.

Zum Buch:

Steffen Kopetzky war mit seinem Roman Risiko für den Deutschen Buchpreis nominiert; er ist bekannt für seine historischen, faktenreichen Romane, seinen soghaften Stil, seine mitunter kolportagehaften Konstruktionen. Auch mit Monschau wird er diesem Ruf mehr als gerecht, aber anders hätte ich mitten in einer Pandemie auch gar nicht über eine Seuche lesen wollen: Nämlich über den Ausbruch der Pocken in dem Eifelstädtchen Monschau zu Beginn der 1960er Jahre.

Dieses Mal kam die Seuche nicht aus China, sondern aus Indien. Ein Mitarbeiter der Rither-Werke hat sie bei seinem letzten Einsatz mitgebracht, und weil es kurz vor Weihnachten war, sind die Vorsichtsmaßnahmen ein bisschen lax gehandhabt worden – Weihnachten nicht im trauten Familienkreis zu feiern, war schließlich undenkbar. Nun steht es Spitz auf Knopf, dass das ganze Werk schließen muss – ein wirtschaftliches Drama, denn die Rither-Werke sind der wichtigste Arbeitgeber der Region, milliardenschwere Terminaufträge stehen an.

Das Gesundheitsamt Düsseldorf schickt den jungen Arzt Nikolaos Spyridakis nach Monschau, wo er zum Betriebs- und Seuchenarzt der Edelstahlgießerei erklärt wird. Besuch möchte eigentlich niemand von ihm bekommen, denn schon von weitem erkennt man Nikolaos: er trägt keine Pestmaske wie seinerzeit die Ärzte in Venedig, sondern passend zu dieser Region einen kiloschweren, abgedichteten Stahlarbeiteranzug und gibt via Geheimzeichen seinem Fahrer und Assistenten zu verstehen, wenn in einem Haus das Variolavirus wütet.

Handlungs- und faktenreich erleben wir die 60er Jahre in Monschau, leben mitten in der Nachkriegsgesellschaft, in den Verstrickungen der Industrie mit Nazideutschland, der Grundlage für das eben erblühende Wirtschaftswunder, wir sehen, wie Helmut Schmidt gegen die Strumflut in Hamburg kämpft, erleben die Kennedys und Siomone de Beauvoir und vor allem hören wir die Musik der Stunde: den Jazz! In der Liebe zu Miles Davis finden sich der Arzt Nikolas und Vera, die Alleinerbin der Rither-Werke, die, soeben aus Paris zurückgekehrt, Journalistin werden will. Und ja, auch eine Liebesgeschichte schenkt uns Kopetzky mit diesem Aufeinandertreffen von Nikolaos und Vera.

Wem das alles zu dick aufgetragen ist, geschenkt! Ich fühlte mich bestens unterhalten und überaus informiert über diese Nachkriegsgesellschaft, das Lebensgefühl der 60er, die gesellschaftliche Blindheit, die globalen Verstrickungen und all die Maßnahmen, die wir aus der aktuellen Krise kennen: Quarantäne und Schulschließungen, Ungläubigkeit und Quarantänebrecher, ja sogar mobile Impfeinsätze. Die teleologische Geschichtsschreibung wird abermals in Frage gestellt, denn allzu bekannt sind die Reaktionen auf die Einschränkungen. Naturgemäß fallen diese im Rheinland am heftigsten aus, wenn es um das Verbot des Karnevals geht. Da wird der frisch verliebte Arzt selbst zum Quarantänebrecher und feiert mit Vera einfach in der Nachbarstadt Düren diesen seltsamen Brauch, der – so sinniert Nikolaos – den deutschen Ethnologen so manch weite Reise ersparen würde.

Statt Binge Watching ist hier Binge Reading garantiert.

Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt