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Herzland

Autor
Obreht, Téa

Herzland

Untertitel
Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben
Beschreibung

Arizona, Ende des 19. Jahrhunderts. Der junge Lurie, Kind osmanischer Einwanderer, flieht mit seinem Kamel Burke nach einem Mord vor der Justiz und versteckt sich beim United States Camel Corps, einem Armeeverband, das Kamele und ihre aus Ägypten geholten Treibern auf einem Treck nach Westen als Lasttiere einsetzt.

Szenenwechsel…
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Rowohlt Berlin, 2020
Seiten
512
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-7371-0079-3
Preis
24,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Téa Obreht gilt als eine der wichtigsten jungen Stimmen der internationalen Literatur. Geboren 1985 in Belgrad, lebt sie seit ihrem zwölften Lebensjahr in den USA. Ihr Debütroman Die Tigerfrau (2011), für den National Book Award nominiert, erschien in mehr als dreißig Sprachen und wurde in zahlreichen Ländern zum Bestseller. 2011 erhielt Téa Obreht den Orange Prize for Fiction.

Zum Buch:

Arizona, Ende des 19. Jahrhunderts. Der junge Lurie, Kind osmanischer Einwanderer, flieht mit seinem Kamel Burke nach einem Mord vor der Justiz und versteckt sich beim United States Camel Corps, einem Armeeverband, das Kamele und ihre aus Ägypten geholten Treibern auf einem Treck nach Westen als Lasttiere einsetzt.

Szenenwechsel.

Arizona, Ende des 19. Jahrhunderts. Der Treck nach Westen ist im vollen Gange. Kleine Städte, eigentlich bloße Ansammlungen von Hütten und Häusern und natürlich Saloons, kämpfen um die begehrte Station der neuen Eisenbahn, entscheidet sie doch darüber, welcher Ort wachsen und welcher sterben wird. Das gleiche gilt vielleicht mehr noch für den Zugang zu Wasser, dem in der Wüste von Arizona unentbehrlichen Überlebensmittel für Mensch und Tier. Auf Nora Larks Farm in Amargo, dem Ort, der den Kampf um den Bahnhof kaum gewinnen kann, ist der Brunnen versiegt. Noras Mann, Drucker und Herausgeber der Lokalzeitung, ist abgehauen, die beiden älteren Söhne machen sich nach einem erbitterten Streit auf, um ihn zu suchen. Der reiche Rinderbaron aus dem Nachbarort macht ihr Avancen, weil er die Farm kaufen will, und der jüngste Sohn nervt seine Mutter mit seiner Angst vor dem Roten Geist, einem geheimnisvollen, riesigen Tier mit rotem Fell, auf dem angeblich ein Toter sitzt.

Mit großer Kunstfertigkeit verknüpft Téa Obreht diese beiden auf den ersten Blick unvereinbaren Erzählstränge und entwirft so einen Western, der den Klischees des Westerns ein ganz anderes Narrativ gegenüberstellt: realistische Probleme werden mit Traumwelten kontrastiert, die Lebenden sprechen nicht miteinander, sondern mit den Toten, die Not der Gegenwart bricht sich in Visionen von Vergangenheit und Zukunft. Wo der Western den großen Mythos von der Entstehung Amerikas zelebriert, vom Schmelztiegel, in dem Migranten aus aller Herren Länder zu „Amerikanern“ werden, zeichnet Obrehts Westernversion ein Land, in dem alle fremd sind und jeder Angst vor der Fremdheit des anderen hat. Mal krachend gewalttätig, mal leise und zärtlich, mal brutal realistisch und dann wieder verträumt surreal schildert die Autorin sprachmächtig eine Welt, die mit der, die wir aus Western kennen, nichts zu tun hat und in der ganz andere Möglichkeiten aufscheinen – und sei es nur die Vorstellung von John Wayne auf einem Lastkamel …

Herzland ist ein großartiger Roman, der geeignet ist, alte Gewissheiten auf den Kopf zu stellen, Alternativen denkbar zu machen und einen ganz neuen Blick auf die Welt zu werfen. Unbedingt lesen.

Irmgard Hölscher, Frankfurt a.M.