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Werke

Autor
Chlebnikov, Velimir

Werke

Untertitel
Herausgegeben von Peter Urban, Nachwort von Marie Luise Knott. Reprint der Werkausgabe zum 100. Todestag des Autors
Beschreibung

Der Suhrkamp Verlag legt die zuerst 1972 im Rowohlt Verlag erschienene, von Peter Urban herausgegebene Werkausgabe des avantgardistischen Dichters Velimir Chlebnikov in einer wunderschön gestalteten und unbedingt lesbaren Edition wieder vor. Der große und prominente ÜbersetzerInnenstab (u.a. Pastior, Celan, Mayröcker), der seinerzeit an der Ausgabe mitgewirkt hat, zeigt, welche Bedeutung das Prozessuale und Subversive für die sprachkünstlerische Poetik Chlebnikovs hatten. Beide Aspekte lassen das Schreiben des Dichters unmittelbar anschlussfähig und witzig werden – und bieten definitiv einen Grund, sich von dem Umfang der Ausgabe nicht abschrecken zu lassen. Chlebnikovs Ausdruck ist an der genauen Betrachtung der Alltagssprache geschult, und in den Übersetzungen gräbt sie sich spielerisch auch ins Deutsche ein.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2022
Seiten
1168
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-518-43049-1
Preis
68,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Velimir Chlebnikov (1885-1922), studierter Mathematiker, veröffentlichte seit 1908 Gedichte und führte ein unstetes Leben zwischen Moskau, Petersburg, Charkov, Baku und Astrachan. 1921 war er mit der Roten Armee in Persien. Er starb ein Jahr später in Santalovo/Gouvernement Novgorod.

Zum Buch:

Die unter dem Titel Werke publizierten Texte von Velimir Chlebnikov – Poesie, Prosa, Schriften und Briefe – geben nicht nur einen umfangreichen Einblick in das Werk des trotz vielstimmiger Anerkennung und Ehrung durch andere DichterInnen immer noch wenig rezipierten Vertreter der literarischen Avantgarde des zwanzigsten Jahrhunderts. Das Buch lässt auch erkennen, dass eben jenes Werk viel weniger im Zeichen abgeschlossener oder abschließbarer Arbeiten stand als ein fortgesetztes, ständiges Arbeiten und Herumwerkeln an der Sprache selbst war.

Der vorliegende Band, eine Neuauflage der nach langjähriger Vorbereitung bereits 1985 erschienenen Edition, hat dafür eine konsequente Form gefunden: mit ÜbersetzerInnen wie Friederike Mayröcker, Paul Celan, Urs Widmer, Oskar Pastior, Ernst Jandl, Hans Magnus Enzensberger, Franz Mon und anderen finden die Texte ein vielstimmiges Nach- und Weiterleben. Gerade auch die Entscheidung, mehrere Übersetzungen des gleichen Texts zuzulassen, führt vor Augen, wie stark Chlebnikov insbesondere in seiner Lyrik an der Sprache arbeitet und wie diese Arbeit sich in der Übersetzung in das Deutsche eingräbt. Allein acht Varianten des Gedichtes „Kuznečik“ (Grashüpfer) versammelt die Ausgabe. Der transkribierten russischen Variante (dem Original) kommt dabei kein besonderer Stellenwert zu, vielmehr wird sie unterschiedslos zwischen den Übersetzungen abgedruckt. Um einen Einblick davon zu geben, wie dieses Arbeiten an der Sprache funktioniert, sei hier auf einen Vers verwiesen. „O lebedivo“ dichtet Chlebnikov einen Neologismus, der im Deutschen „Oh Beschwan“ (RZ), „O schwanings“ (Celan), „beschwan beschwampf“ (Jandl) oder „o schwansam“ (Pastior) den Schwan grammatikalisch umkreist, während Peter Urban neben einer Interlinearübersetzung eine zweite Übersetzung stellt, die allein das Lautliche des Russischen zum Ausgang nimmt und die Zeile mit „O lebet denn wohl“ übersetzt. Allein als Übersetzungsprojekt kann diese Ausgabe also als ein selten erreichtes Beispiel für die genaue und facettenreiche Arbeit an und in der Sprache angesehen werden. Noch dazu bieten Chlebnikovs Texte einen schnellen und auffallenden Witz, der das Arbeiten der Gedanken, das beim Lesen unmittelbar einsetzt, antreibt und vergnüglich macht.

Sein Ausdruck ist an der genauen Betrachtung der Alltagssprache geschult. In diesem Sinne ließe sich Chlebnikovs Poesie sowohl als Gegenprogramm als auch als Wegbereiter der „Fremdbüchersonette“ von Ann Cotten begreifen.

Auch wenn es etwas dauert, bis man sich im Buch mit den zahlreichen unterschiedlichen Text- und Satzarten zurechtfindet, lohnt sich die Geduld. Zudem bieten die Kommentare von Marie-Luise Knott und von Peter Urban zusätzliche Orientierung und spannende Einblick in das Leben des Autors, der von so vielen VertreterInnen der konkreten oder experimentellen Poesie als Vorgänger angesehen wird.

Theresa Mayer, Frankfurt a.M.