Zum Buch:
Percival Everetts neuer Roman ist spannender Thriller und bitterböse Satire zugleich. Ein schonungsloser Roman, der ein düsteres und noch lange nicht aufgearbeitetes Kapitel amerikanischer Geschichte thematisiert: Die ungesühnten Lynchmorde an nicht-Weißen, deren Täter ungestraft blieben. Eine brillant und kompromisslose Mischung aus Fakt und Fiktion, absurd komisch und schockierend zugleich. Was wäre, wenn alle Täter bzw. deren Nachkommen nun doch ihre gerechte Strafe bekämen?
Money Mississippi: Ein kleiner Ort im trostlosen Klan- und Trump-treuen Süden der USA. Zwei Morde, zwei misshandelte Leichen, die verwandt sind. Beide weiß, männlich, dumm und stramme Rassisten. Am Tatort jeweils eine weitere, ebenso entstellte Leiche: die eines schwarzen Jungen, die unverkennbare Ähnlichkeit mit dem Opfer eines lange zurückliegenden grausamen Lynchmordes trägt. Eine Leiche, die immer wieder verschwindet, um am nächsten Tatort wieder aufzutauchen. Ein Wiedergänger, der den Ort in Panik versetzt. Da der Fall für die örtliche Polizei, einen Haufen tumber Rednecks, zu groß ist, schickt das MBI ( das Mississippi Bureau of Investigation) zwei schwarze Ermittler zur Unterstützung. Sie wurden Cops, damit „Whitey nicht der einzige im Raum mit einer Knarre ist“. Zynisch und vom Rechtssystem desillusioniert, beginnen die beiden zu ermitteln, von ihren weißen Kollegen mit Argwohn beobachtet. Hinweise bekamen die beiden einzig von Gertrude, aka Dixie, der Bedienung im örtlichen „Dinah“ (die vorherige Besitzerin hatte Probleme mit der Rechtschreibung), und ihrer 105 Jahre alten Urgroßmutter Mama Z, dem historischen Gedächtnis. Die Ermordeten sind Nachkommen der Männer, die vor vielen Jahren einen 14 jährigen Schwarzen aufgrund der falschen Aussage einer weißen Frau gelyncht haben. Mama Z hat alle Lynchmorde akribisch dokumentiert – ein Archiv von über 7000 Akten. Damit die Geschichten der Opfer nicht in Vergessenheit geraten, soll ein Freund von Gertrude, ein für das Universitätssystem zu produktiver und vielseitiger Akademiker und deshalb arbeitslos, ein Buch daraus machen.
Und plötzlich häufen sich im ganzen Land Morde mit dem gleichen Modus Operandi: Verstümmelte weiße Leichen und am Tatort jeweils eine weitere, konservierte nicht-weiße Leiche. Das FBI, in Person der coolen und kompromisslosen Herberta Hind, Special Agent, wird hinzugezogen. Noch ist unklar, wer oder was hinter all den Morden steckt. Die Morde, die das weiße Amerika in Angst versetzen, häufen sich immer schneller. Selbst der Präsident, der beste, klügste und am wenigsten rassistische Präsident, den das Land jemals hatte, gerät in Panik. Handelt es sich um einen Vergeltungsakt der Entrechteten? Die Antwort darauf scheint zum Ausgangspunkt zurückzuführen: Nach Money und dem Archiv von Mama Z
Trotz der vielen slapstickartigen Szenen, den vielen sehr witzigen Wortspielen bis hin zu den absurden Namen der Akteure, ist Bäume ein ernsthafter Roman, der ein düsteres Kapitel der amerikanischen Gesellschaft beleuchtet. Money, Mississippi existiert wirklich. Es ist der Ort, in dem im Jahr 1955 der 14-jährige Schwarze Emmett Till aufgrund der Falschaussage einer weißen Frau von deren Ehemann und Schwager grausam gelyncht wurde. Die Täter wurden zwar gefasst, aber nach kurzer Zeit wieder freigelassen. So wie die meisten Lynchmörder. Unterstützt durch den Polizeiapparat und ein rassistisches Justizsystem.
Percival Everett, der hierzulande leider noch relativ unbekannt ist, zählt eindeutig zu den wichtigsten und spannendsten Stimmen der amerikanischen Literatur. Mit Bäume ist ihm ein weiterer großartiger Roman über die amerikanischen Gesellschaft gelungen.
Andrea Schulz, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt