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Allein

Autor
Schreiber, Daniel

Allein

Beschreibung

Nach Nüchtern und Zuhause hat sich der 1977 geborene Autor Daniel Schreiber in seinem aktuellen Essay einer Lebensform angenommen, der in Deutschland über 17 Millionen Menschen angehören. Es geht um Menschen, die alleine leben, statt als Familie oder als Paar.

Die Mischung aus einer sehr persönlichen Sicht und theoretischen Betrachtungen zeichnet die Essays von Daniel Schreiber aus. Durch vielfältige Querverweise wird aus Schreibers persönlichem Erleben fast automatisch eine detaillierte, kluge und sehr lesenswerte Gesellschaftsanalyse in Zeiten der Pandemie und weit darüber hinaus.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Hanser Berlin, 2021
Seiten
160
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-446-26792-3
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Daniel Schreiber, 1977 geboren, ist Autor der Susan-Sontag-Biografie Geist und Glamour (2007) sowie der hochgelobten und vielgelesenen Essays Nüchtern (2014) und Zuhause (2017). Er lebt in Berlin.

Zum Buch:

Nach Nüchtern und Zuhause hat sich der 1977 geborene Autor Daniel Schreiber in seinem aktuellen Essay einer Lebensform angenommen, der in Deutschland über 17 Millionen Menschen angehören. Es geht um Menschen, die alleine leben, statt als Familie oder als Paar.

Wo in der Werbung und in vielen Filmen noch immer das Ideal der Familie und romantischer Paarbeziehung glorifiziert wird, sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache. Eine Gesellschaft jedoch, in der es für Alleinlebende die Bezeichnungen „alleinstehend“ oder „Single“ gibt, suggeriert aus Schreibers Sicht, dass sie die Ausnahme von der Regel sind. Er beleuchtet die Konnotation des Scheiterns und einer empfundenen Scham, die dem Alleinleben noch immer anhaftet. In besonderer Weise findet der Autor diese Scham im Leben von Homosexuellen, deren Selbstwahrnehmung noch immer von einer Geschichte der Strafverfolgung und Ausgrenzung beeinflusst wird. Schreibers Auseinandersetzung mit queeren Lebenskonzepten wirft spannende Fragen an unsere noch immer heteronormative Gesellschaft auf, die nur auf formalen Ebene – und dies auch erst seit Kurzem – eine Gleichstellung ermöglicht.

Die Pandemie und ihre Lockdowns wirkten auch und besonders im privaten Bereich der Menschen wie ein Vergrößerungsglas. Allein lebende Menschen, die ihre freie Zeit sonst mit ihren Freund*innen, Bekannten, im Theater oder mit Konzerten verbrachten, fielen von heute auf morgen ins Nichts. Im Gegensatz zu den plötzlich in ihren Wohnungen aufeinander geworfenen Familien, die zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung jonglieren und sich von ihren individuellen Bedürfnissen entfernen mussten, traf der Lockdown allein lebende Menschen auf ganz andere Art. Alles was ihr soziales Leben vorher bestimmte, gab es nicht mehr. Ihre Lebensform wurde durch die Situation von Grund auf in Frage gestellt, auch wenn sich diese Menschen vorher erfüllt und eingebunden gefühlt hatten. Ist das Singledasein vielleicht doch eine unzureichende Form menschlichen Daseins?

Schreiber setzt sich ausführlich mit dem Konzept der Freundschaft auseinander, die in seinem und im Leben vieler Menschen die Funktion einer Familie erfüllt, ein Gefühl des Eingebunden- und Verbundenseins herstellt. Hannah Arendts Gedanken zu Lessings „Nathan der Weise“ zitierend, besteht die Weltoffenheit und Menschenliebe Nathans darin, „die Freundschaft über die Wahrheit zu stellen, wenn es sie denn tatsächlich gäbe.“ Damit geht Schreiber auf ein hochaktuelles Dilemma dieser Zeit ein, die Spaltung und Meinungsverschiedenheiten, die gesellschaftliche Vereinbarungen, Freundschaften und auch Familien in ihrem Zusammenhalt gefährden. „Wie können Freundschaften aussehen, wenn sie nicht vom Ideal des Gleichgesinnten getragen werden?“

Die Mischung aus einer sehr persönlichen Sicht und theoretischen Betrachtungen zeichnet die Essays von Daniel Schreiber aus. Er lässt es eben nicht dabei bewenden, seine individuellen Gedanken und Erfahrungen zu schildern, sondern setzt sie in historische und soziologische Zusammenhänge. Ein umfangreicher bibliographischer Anhang schafft anregende Möglichkeiten, sich mit weiteren Autor*innen zu beschäftigen, die sich zu unterschiedlichen Zeiten mit den Konzepten von Freundschaft und Einsamkeit auseinandergesetzt haben. Durch diese vielfältigen Querverweise wird aus Schreibers persönlichem Erleben fast automatisch eine detaillierte, kluge und sehr lesenswerte Gesellschaftsanalyse in Zeiten der Pandemie und weit darüber hinaus.

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt