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Als ich jung war

Autor
Gstrein, Norbert

Als ich jung war

Untertitel
Roman
Beschreibung

Franz arbeitet im Tiroler Landgasthof seines Vaters, der sich auf Hochzeitsfeiern spezialisiert hat, als Fotograf. Ein Paar nach dem anderen posiert für ihn vor dem Abgrund hinter dem Haus, und er muss sein Bestes tun, damit möglichst viel Glück auf dem Foto zu sehen ist – nicht immer leicht. Nicht alle Paare heiraten aus reiner Liebe, und manche Braut sieht aus, als wolle sie sich das Jawort lieber nochmal überlegen.

Doch dann kommt der Tag, an dem alles schief geht: die Braut wird nach der rituellen „Entführung“ erst in der Frühe von den Freunden des Bräutigams in derangiertem Zustand wieder zurückgebracht und am nächsten Morgen mit gebrochenem Genick am Ende des Abhangs aufgefunden, vor dem Franz sie tags zuvor fotografiert hat. Unfall? Selbstmord? Gar Mord?
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Hanser Verlag, 2019
Seiten
352
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-446-26371-0
Preis
23,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Norbert Gstrein, 1961 in Tirol geboren, lebt in Hamburg. Er erhielt unter anderem den Alfred-Döblin-Preis, den Uwe-Johnson-Preis und 2019 den Österreichischen Buchpreis.

Zum Buch:

Franz arbeitet im Tiroler Landgasthof seines Vaters, der sich auf Hochzeitsfeiern spezialisiert hat, als Fotograf. Ein Paar nach dem anderen posiert für ihn vor dem Abgrund hinter dem Haus, und er muss sein Bestes tun, damit möglichst viel Glück auf dem Foto zu sehen ist – nicht immer leicht. Nicht alle Paare heiraten aus reiner Liebe, und manche Braut sieht aus, als wolle sie sich das Jawort lieber nochmal überlegen. Die Familien feiern, betrinken sich, grölen. Und wenn dann alles vorbei ist, sitzt der Besitzer der „Hochzeitsfabrik“ am Tisch und macht seine Frau fertig, während die Söhne im Nebenzimmer zu schlafen versuchen. Doch dann kommt der Tag, an dem alles schief geht: die Braut wird nach der rituellen „Entführung“ erst in der Frühe von den Freunden des Bräutigams in derangiertem Zustand wieder zurückgebracht und am nächsten Morgen mit gebrochenem Genick am Ende des Abhangs aufgefunden, vor dem Franz sie tags zuvor fotografiert hat. Unfall? Selbstmord? Gar Mord?

So beginnt die Geschichte, die uns Norbert Gstreins Protagonist Franz erzählt, in kühlem Ton und eleganten Sätzen – aber ist sie auch wahr? Weshalb gibt der Vater ihm kurz nach den Ereignissen das Geld für die ersehnte Reise nach Amerika? Und ist es Zufall oder nicht, dass auch dort, in den Rocky Mountains, wo er als Skilehrer arbeitet, seltsame Dinge geschehen – eine junge Frau verschwindet, ein treuer Kunde Selbstmord begeht?

Der Ich-Erzähler präsentiert sich uns als Menschen, der versucht, seine eigene Geschichte zu verstehen, weicht aber gleichzeitig der Wahrheit – was immer sie auch sein mag – höchst kunstvoll aus. Um es gleich zu sagen: Wir erfahren nicht, was „wirklich“ geschehen ist, folgen dem Erzähler aber gebannt, fasziniert und immer wieder zweifelnd auf seinen verschlungenen Wegen, die hier und da den Blick in Abgründe eröffnen, die dann wie durch einen Nebel wieder im Unsichtbaren verschwinden. Dabei geht es weniger um Verdrängung als vielmehr um die Unfähigkeit, sich selbst, den eigenen Erinnerungen zu vertrauen, die sich durch das Erzählen verändern und zu einer eigenen, fremden Geschichte werden. Kann man sich, seiner Lebensgeschichte wirklich glauben? Für Norbert Gstrein ist die Antwort negativ, und sein stilistisch meisterhafter, atemberaubender Roman zieht auch den Lesern den Boden unter den Füßen weg. Das mag verstörend sein, zwingt einen aber erneut zum Nachdenken über die alte Pilatusfrage: Was ist Wahrheit?

Irmgard Hölscher, Frankfurt