Detail

Drucken

Malcolm X

Autor
Waldschmidt-Nelson, Britta

Malcolm X

Untertitel
Der schwarze Revolutionär
Beschreibung

Für ihre Untersuchung des Lebens und Wirkens von Malcolm X orientiert sich Britta Waldschmidt Nelson an der Autobiografie des radikalen Freiheitskämpfers und gleicht diese mit anderen Quellen ab. Dabei kommen viele Aspekte zum Vorschein, die in Malcolm Xs eigener Darstellung ausgespart bleiben.
(Ausführliche Besprechung unten)

Verlag
C.H.Beck, 2025
Seiten
400
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-406-83253-6
Preis
25,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Britta Waldschmidt-Nelson ist seit 2016 Professorin für die Geschichte des Europäisch-Transatlantischen Kulturraums an der Philologisch-Historischen Fakultät Augsburg. Zuvor war sie fünf Jahre lang als stellvertretende Direktorin des Deutschen Historischen Instituts in Washington, D.C. tätig und von 1994 bis 2011 lehrte sie amerikanische Geschichte an der LMU in München. Außerdem hat sie als Gastdozentin an zahlreichen europäischen sowie amerikanischen Universitäten unterrichtet und ist Mitglied des Internationalen Komitee der Organization of American Historians. I

Zum Buch:

Für ihre Untersuchung des Lebens und Wirkens von Malcolm X orientiert sich Britta Waldschmidt Nelson an der Autobiografie des radikalen Freiheitskämpfers und gleicht diese mit anderen Quellen ab. Dabei kommen viele Aspekte zum Vorschein, die in Malcolm Xs eigener Darstellung ausgespart bleiben, unter anderem sein teilweise ins offen Misogyne tendierende Verhältnis zu Frauen, die schwierige Jugend sowie die inneren Widersprüche seines Engagements in der Nation of Islam.

Die Autorin betrachtet alle Lebensabschnitte von El Hajj Malik El Shabazz, wie er sich nach seiner Trennung von der islamistischen Organisation selbst nannte, gleichermaßen. Dadurch wird die seltsame Mischung aus religiöser Irrationalität, schwarzem Nationalismus und paramilitärischen Elementen nachvollziehbar, die sowohl die notwendige Bedingung als auch die unüberwindbare Grenze seines politischen Aufstiegs bildete. Das fatale Wechselspiel zwischen der Radikalität einer voll ausgebildeten Parallelgesellschaft einerseits, die andererseits in politischer Passivität und Isolation auf eine messianische Befreiung durch Allah wartet, wird sofort erkennbar. Weit davon entfernt, diese Widersprüche ausschließlich auf einen falschen Fundamentalismus zurückzuführen, bringt die Autorin auch die drastischen Umstände der in den 1960er Jahren immer noch komplett segregierten amerikanischen Gesellschaft in ihre Analyse mit ein. Erst vor dem Hintergrund, dass das politische System der USA durch die fast sechzig Jahre praktizierte „getrennt-aber-gleich Doktrin“ (124) in der Praxis nur Trennung und nicht einmal ansatzweise Gleichheit produzierte, wird die Ideologie des schwarzen Nationalismus und seine Forderung nach einem eigenen Staat ohne Weiße in das richtige Licht gerückt. Dass auch diese Doktrin letztlich nur eine schlechte Aufhebung der Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft darstellt, sei auch Malcolm X immer wieder daran deutlich geworden, der „trotz der von ihm propagierten Lehre, nach der alle Weißen von Natur aus Teufel seien, […] kein Auditorium verließ, ohne von der mehrheitlich weißen Zuhörerschar mit tosendem Applaus bedacht zu werden“ (154).

Die Neuauflage der ursprünglich 2015 erschienenen Biographie anlässlich des 100. Geburtstags von Malcolm X reflektiert in aller Kürze auch die Black-Lives-Matter-Bewegung und die Kandidatur von Joe Biden und Kamala Harris. Eine systematische Aufarbeitung des Dilemmas der US-Politik zwischen Radikalismus und Reformismus, Integration in die Verhältnisse oder deren Veränderung von außen, das für die Bewegung so zentral war, ist in dem Band nicht enthalten. Gleichwohl ist das Buch eine wichtige Quelle für jede ernste Auseinandersetzung mit radikaler Politik heute und ihrer historischen Wurzeln.

Florian Geissler, Karl.Marx.Buchhandlung, Frankfurt