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Kathedralen

Autor
Piñeiro, Claudia

Kathedralen

Untertitel
Roman. Aus dem Spanischen von Peter Kultzen
Beschreibung

Als der halb verkohlte und zerstückelte Leichnam der siebzehnjährigen Ana, der jüngsten der drei Sardá-Schwestern, gefunden wird, bricht die Welt der streng katholischen Familie auseinander. Während Anas Mutter und die älteste Schwester Carmen sich mit den Tröstungen ihres Glaubens zufrieden geben, der Vater besessen auf eigene Faust nach dem Täter forscht, den die Polizei nicht findet, sucht Liá, die mittlere der Schwestern, ihr Heil in der Distanz. Wenige Monate nach der Tat bricht sie mit ihrer Familie und will erst wieder zurückkehren, wenn der Mörder gefunden ist. Sie geht nach Spanien undbetreibt in Santiago de Compostela eine Buchhandlung. Dreißig Jahre später, als sie selbst nicht mehr damit rechnet, jemals die Wahrheit über Anas Tod zu erfahren, bringt ein unerwarteter Besucher alles wieder in Bewegung.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Unionsverlag, 2023
Seiten
320
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-293-00592-1
Preis
24,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Claudia Piñeiro (*1960 in Buenos Aires) ist eine der erfolgreichsten Autorinnen Argentiniens. Nach dem Wirtschaftsstudium wandte sie sich dem Schreiben zu, arbeitete als Journalistin, schrieb Theaterstücke, Kinder- und Jugendbücher und führte Regie fürs Fernsehen. Für Die Donnerstagswitwen erhielt sie 2005 den Premio Clarín, 2010 wurde sie mit dem LiBeraturpreis ausgezeichnet. Für Kathedralen erhielt sie 2021 den Premio Hammett, mit Elena weiß Bescheid stand sie 2022 auf der Shortlist des International Booker Prize.

Zum Buch:

Eine ganz normale Familie in Buenos Aires: Vater, Mutter, drei Töchter – die Sardá-Schwestern. Carmen, die älteste ist dominant, zielstrebig und aktiv in der katholischen Kirche tätig. Die rebellische Liá ist die mittlere der Schwestern, und Ana ist das “Küken”, Liás Vertraute. Siebzehn Jahre ist sie alt und – wie Liá vermutet – zum ersten Mal verliebt. Dann wird Anas Leichnam gefunden – halb verkohlt und zerstückelt. Für die Familie Sardá ist nichts mehr wie zuvor, da nie herausgefunden wird, wer das Verbrechen begangen hat.

Die Polizei beschließt, dass es sich um ein Sexualdelikt handelt, und beendet die Ermittlungen schnell – vorschnell, wie Liá und ihr Vater finden. Das durch das Verbrechen entstandene Vakuum lässt niemanden, der mit der Tat in Berührung kam, wieder los. Anas Mutter und die Schwester verharren unbeirrbar in ihrem Glauben, dass Anas Tod letztlich Gottes Wille war, während der Vater besessen auf eigene Faust weiter nach den Verantwortlichen für die Tat forscht. Anas Freundin Marcela, die als letzte mit ihr zusammen gewesen war, hat bei einem Sturz ihr Kurzzeitgedächtnis verloren und kann sich nur noch an das erinnern, was davor lag. Ihre Behauptung, Ana sei in ihren Armen gestorben, nimmt niemand ernst. Liá sucht ihr Heil in der Distanz. Noch an Anas Sarg hat sie laut verkündet, dass sie von nun an nicht mehr an Gott glauben könne – was ihre Mutter und ihre Schwester Carmen fast mehr zu schockieren scheint als Anas Tod. Wenige Monate später verlässt Liá die Familie und will erst wieder zurückkehren, wenn der Mörder gefunden ist. Sie geht nach Spanien und lebt in Santiago de Compostela. Dreißig Jahre später, als sie selbst nicht mehr damit rechnet, jemals die Wahrheit über Anas Tod zu erfahren, bringt ein unerwarteter Besucher die Vergangenheit wieder in Bewegung.

Kathedralen ist ein vielstimmiges Buch, es gibt keinen allwissenden Erzähler. Claudia Piñeiro lässt sieben Personen die Tat umkreisen, und wie in einem Prisma fällt aus jedem Blickwinkel ein anderes Licht auf Anas Tod. Jede dieser Personen erzählt die Geschichte aus ihrer eigenen subjektiven Sicht, und die Autorin findet für jede einen charakteristischen Tonfall. So wird nicht nur nach und nach das Verbrechen enthüllt, es entsteht auch ein prägnantes Bild der erzählenden Figuren.

Das Buch hat 2021 den in Südamerika renommierten Premio Hammett erhalten, ein Preis, der für den besten Kriminalroman verliehen wird. Es geht aber weit über die Genregrenzen hinaus. Claudia Piñeiro zeichnet das Bild einer traditionellen Gesellschaft, in der die katholische Kirche mit ihren rigiden Moralregeln immer noch eine zentrale Stellung hat – in der „Verfehlungen“ streng gesühnt oder vertuscht werden müssen und deren Unfehlbarkeitsanspruch in erschreckender Selbstgerechtigkeit von denen zur Rechtfertigung genutzt wird, die sich den Folgen ihres Handelns nicht stellen wollen.

Ruth Roebke, Frankfurt am Main.