Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Semadeni, Leta

Tamangur

Untertitel
Roman
Beschreibung

Nach dem Tod des Großvaters und des kleinen Bruders bleiben Enkelin und Großmutter in dem Dorf inmitten der hohen Berge. Sie brauchen einander. Ein Roman, der mit intensiven Momentaufnahmen verzaubert, an die sich immer wieder Vergangenes knüpft. Die intensiven Bilder, die noch lange nachwirken, machen aus dem Buch eine wunderschöne Lektüre.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Rotpunktverlag, 2015
Format
Gebunden
Seiten
144 Seiten
ISBN/EAN
9783858696410
Preis
19,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Leta Semadeni, geboren 1944 in Scuol, Engadin, studierte Sprachen an der Universität Zürich. Lehrtätigkeit an verschiedenen Schulen in Zürich und im Engadin. Arbeitsaufenthalte in Lateinamerika, in Paris, Zug, Berlin und auf Elba. Seit 2005 lebt und arbeitet sie freischaffend in Lavin. Leta Semadeni schreibt vorwiegend Lyrik, romanisch oder deutsch, die sie selbst in die jeweils andere Sprache überträgt, zuletzt In meinem Leben als Fuchs (2010). Ihr Werk wurde mehrfach ausgezeichnet, 2011 mit dem Literaturpreis des Kantons Graubünden und mit dem Preis der Schweizerischen Schillerstiftung. Tamangur ist ihr erster Roman.

Zum Buch:

Das Dorf liegt tief unten in der Schlucht und fängt dort an, wo es aufhört. Ein Fliegendreck auf der Weltkarte, sagt die Großmutter, die so eine in der Küche aufgehängt hat. Viele Nadeln stecken darin, eine für jeden Ort, an dem sie zusammen mit dem Großvater gewesen ist, dem Großvater, für dessen Seidenfüße sie früher Socken gestrickt hat, die jetzt die Enkelin trägt. Schön warm sind die Socken, auch wenn die Ferse eine Beule an der Wade des Mädchens bildet, des Mädchens, das nur kurz nach einem Frosch Ausschau hielt, als der kleine Bruder zum Fluss lief . Wie hätte sie ahnen sollen, dass der Fluss den kleinen Bruder auf seinem wilden Wasser davontragen würde bis ins Schwarze Meer? Vater und Mutter sind weggezogen nach dem Tod des kleinen Bruders.

Oft hat das Mädchen mit dem Großvater unter dem Fliederbaum gesessen. Dann hat er ihr von den Tieren erzählt, die ihr Kleid der Umgebung so anpassen, dass man sie nicht sieht. Ein stattlicher Jäger war der Großvater. Vor einem Jahr hat er sich aus dem Staub gemacht in das abgelegenste, schönste Tal von allen, ins Paradies, nach Tamangur.

Die Dramen geschahen in der Vergangenheit. Enkelin und Großmutter lernen, miteinander weiterzuleben. Manchmal gibt es Tage, an denen die Erinnerungen an das Leben mit dem Großvater der Großmutter im Weg liegen wie der Haushund Chan – unberechenbar, so dass sie überall über sie stolpert. Manchmal gibt es Nächte, in denen die Enkelin von dem Fluss träumt, der den Bruder mit sich forttrug.

Nicht so traurig, wie man denken könnte, ist dieser erste Roman von Leta Semadeni, die ihren Hauptpersonen bis zum Ende keine Namen gibt. Die rätoromanische Lyrikerin hat einen Sprachduktus gewählt, der beruhigt und vor allem: tröstet. Ihre intensiven Bilder, die noch lange nachwirken, machen aus dem Buch eine wunderschöne Lektüre.

Susanne Rikl, München