Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Scheuer, Norbert

Peehs Liebe

Untertitel
Roman
Beschreibung

Auf dem Vorsatzblatt ein Hölderlin-Zitat, dann der erste Satz: „Mein Name ist Rosarius Delamot.“ Ein „hoher Ton“, das kann man wohl sagen. Aber gleich der zweite Satz holt uns wieder zurück auf den – Eifeler – Boden: „Ich bin mit dem Delamot verwandt, der in Kall ein Friseurgeschäft hatte.“ Ich kenne keinen Autor, der dieses Wechselspiel zwischen literarischem Höhenflug und Bodenhaftung so perfekt beherrscht wie Norbert Scheuer, den Autor, der nach eigenem Bekunden „kaum über die Eifel hinausgekommen“ ist, aber dafür aus dieser Eifel eine mythengesättigte Landschaft erschaffen hat.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Beck Verlag, 2012
Format
Gebunden
Seiten
223 Seiten
ISBN/EAN
9783406639494
Preis
17,95 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Norbert Scheuer, geboren 1951, studierte physikalische Technik und Philosophie. Er lebt in der Eifel und arbeitet als Systemprogrammierer. Norbert Scheuer erhielt zahlreiche Literaturpreise.

Zum Buch:

Auf dem Vorsatzblatt ein Hölderlin-Zitat, dann der erste Satz: „Mein Name ist Rosarius Delamot.“ Ein „hoher Ton“, das kann man wohl sagen. Aber gleich der zweite Satz holt uns wieder zurück auf den – Eifeler – Boden: „Ich bin mit dem Delamot verwandt, der in Kall ein Friseurgeschäft hatte.“ Ich kenne keinen Autor, der dieses Wechselspiel zwischen literarischem Höhenflug und Bodenhaftung so perfekt beherrscht wie Norbert Scheuer, den Autor, der nach eigenem Bekunden „kaum über die Eifel hinausgekommen“ ist, aber dafür aus dieser Eifel eine mythengesättigte Landschaft erschaffen hat, ein Universum, in dem Hölderlin ganz selbstverständlich seinen Platz im Friseursalon hat und der verschwundene Vater des Protagonisten, ein Archäologe auf den Spuren römischer Straßen, für den Sohn im geheimnisvollen Klang lateinischer Wüstenstraßen lebendig bleibt. Ich kenne auch keinen anderen Autor, der wie Norbert Scheuer in der Lage wäre, absätze- und sogar seitenweise solche Straßennamen zu zitieren und dabei ganz unaufdringlich die gesamte Fülle der Magie mitzutransportieren, die im Klang dieser Namen mitschwingt.

Die Handlung des Buches ist schnell erzählt: Rosarius Delamot liegt nach einem Schlaganfall in einem Altenheim und erzählt der Pflegerin Anni, in der er die Liebe seines Lebens wiederzuerkennen glaubt, seine Lebensgeschichte. Er erzählt von dem kleinwüchsigen, sprachbehinderten Jungen, der er war, bevor er mit Anfang zwanzig plötzlich zu wachsen, zu sprechen und zu lesen begann. Er erzählt von Vincentius, dem gerissenen Verkäufer und sporadischem Liebhaber seiner Mutter, den er auf seinen vielen Fahrten begleitete, bei denen er zunächst den Bauern Bruchholz abkauft und später sein angebliches medizinisches Wundergerät, den „Perseus“, anpreist, der von Krebs bis sexueller Frustration alles zu heilen versprach. Er erzählt von Peeh, wie er die kleine Petra aufgrund seines Sprachfehlers nannte, in die er sich als Kind verliebte und der er all die Jahre die Treue hielt, obwohl sie schon sehr lange in einer anderen Welt lebt. Und er erzählt von Kall und seinen Bewohnern, von wunderlichen und von Phantasien besessenen Menschen, von einem Leben, das zunächst klein und unbedeutend erscheinen mag, in dem sich am Ende aber die ganze Welt entfaltet. Und Anni, die immer mehr in der Rolle der Peeh aufgeht, die Rosarius ihr zugedacht hat, hört zu und findet in den all den Erzählungen schließlich auch zu ihrem eigenen neuen Leben.

Das alles liest man zunächst – wegen einer gewissen Kleinteiligkeit der ineinander verschachtelten Geschichten – leicht irritiert, dann aber zunehmend fasziniert, um das relativ schmale Bändchen am Ende wirklich beglückt (und solche Worte kommen mir selten über die Zunge, aber hier geht’s nicht anders) aus der Hand zu legen. Und denkt vor dem Einschlafen, wie gut der „Hyperion“ doch im Friseurladen aufgehoben ist und das man vielleicht mal wieder darin blättern sollte, aber zuerst sind da noch die römischen Straßen abzugehen, die durch die Wüste führen.

Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main