Zum Buch:
Sommer 1942. Die Deutschen sind in Frankreich. Die zehnjährige Dora wird von ihrem Onkel Vlad nach Sainte-Lucie gebracht, einem alten Gut am Fuße der Pyrenäen. Dort sei es sicherer als in Toulon, wo ihre Mutter zurückgeblieben ist. Auf dem Gut leben “Camillou”, der anarchistische Besitzer, seine kränkelnde Frau, einige Bedienstete und drei Kinder: die Zwillinge Joan und Jean und der gleichaltrige Jacques. Später kommen Teresa, die Mutter der Zwillinge, und der Engländer Jim dazu.
Die Erwachsenen verbringen ihre Tage mit Reden und Klavierspielen. Für Dora beginnt ein ungekanntes, freies Leben. Die Kinder sind weitgehend unbeaufsichtigt und an nichts weiter als die Regel gemeinsamer Mahlzeiten gebunden. Aus erlauschten Gesprächsfetzen erfahren sie, dass sie, wenn der Weg frei ist, über die Pyrenäen nach Spanien gehen sollen.
Für die Vier ist das Leben auf dem Gut ein einziges Abenteuer. Sie spielen Eierverstecken mit einer eigenwilligen Ente, durchstreifen den Garten, den angrenzenden verwilderten Park und helfen bei der Weinlese.
Später im September, die Zwillinge sind mit ihrer Mutter wieder abgefahren, leben Dora und Jacques ein gänzlich eigenes Leben. Ihre Kreise werden immer weiter. Sie durchstreifen die Gegend mit dem Rad, bauen sich in einem versteckten alten Tunnel ein Versteck und belauschen Jim, den Engländer, der sich nachts in eine Hütte stiehlt und dort Funksignale in die Welt sendet.
Es sind schäumende Tage, schwebend und losgelöst, wie sie vielleicht wirklich nur Kinder erleben können, die durchaus die Gefahren ahnen, die ihnen drohen, sich aber trotzdem ganz dem Jetzt hingeben können. Roubauds Kunst besteht darin, dies dem Leser sinnlich erfahrbar zu machen: Das Knistern des trockenen Grases, die Süße der aus dem Weinberg gestohlenen Trauben, die Sonne auf der Haut, den rissigen Boden unter den Füßen.
All das endet, als die Deutschen auch die freie Zone Frankreichs besetzen.
“Der verwilderte Park” ist ein schmales Buch, leicht und schnell zu lesen. Simpel ist es durchaus nicht. Die Konstruktion ist höchst artifiziell, ohne dass sie für einen Augenblick anstrengend wird. Am Ende ist man wehmütig und beglückt.
Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt