Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Rostain, Michel

Als ich meine Eltern verliess

Untertitel
Roman. Aus dem Französischen von Birte Völker
Beschreibung

Sieben Jahre nach dem plötzlichen Tod seines Sohnes hat der französische Opernregisseur Michel Rostain ein Buch über seinen Verlust geschrieben. Unter den inzwischen zahlreichen Büchern zum Thema Sterben, Tod und Trauer hebt sich dieses durch eine neue Perspektive auf das Geschehen heraus: Ich-Erzähler von „Als ich meine Eltern verließ“ ist, wie schon der Titel sagt, der Verstorbene selbst.

Das Buch hat – verdientermaßen – in Frankreich den Prix Goncourt für den besten Debütroman erhalten, obwohl es nicht auf den Auswahllisten stand.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, 2012
Format
Gebunden
Seiten
160 Seiten
ISBN/EAN
978-3-570-58032-5
Preis
18,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Michel Rostain, geboren 1942 in Mende, ist ein bekannter französischer Opernregisseur und Autor. Bis 2008 war er Intendant des Nationaltheaters von Quimper (Bretagne), seit mehr als 30 Jahren bringt Rostain Opern und zeitgenössische Lyrik auf die Bühne. Als ich meine Eltern verließ ist sein erster Roman.

Zum Buch:

Die Handlung: Ein junger Mann stirbt innerhalb weniger Tage an einer besonders aggressiven Form der Meningitis und lässt seine Eltern verstört und verzweifelt zurück. Das hätte nun eines der inzwischen häufigen Bücher zu Sterben, Tod und Verlust werden können, wenn der Autor Michel Rostain nicht zu einem ungewöhnlichen Stilmittel gegriffen hätte: Er lässt seinen grade erst 21-jährigen verstorbenen Sohn Lion die Geschichte erzählen. Das ist gewagt, glückt aber auf wunderbare Weise.

War ich anfangs etwas skeptisch wegen des leicht spätpubertär-saloppen Stils, hat sich das bei weiterer Lektüre schnell gewandelt. Rostain gelingt das Erstaunliche, seinen Sohn den Verlust und das Leid der Eltern völlig locker und gleichzeitig distanziert erzählen zu lassen. Dieser Tote ist weder sentimental noch besserwisserisch, obwohl er von seiner Warte aus nicht nur seine, sondern auch die Empfindungen der Eltern genau zu kennen scheint. Er hadert auch nicht mit dem Vorgefallenen. Leicht und heiter blickt er auf seine Eltern, die verzweifelt, manchmal komisch, manchmal zu Tränen rührend, mit ihrem neuen Leben als „Waisen“ zurechtkommen müssen.

Das Buch spannt den Bogen von Lions letzten Tagen, dem Entsetzen, dass jemand aus heiterem Himmel innerhalb weniger Tage – und ohne adäquate Hilfe, da niemand das zunehmende Fieber bei einem kräftigen jungen Mann ernst nehmen will – einfach stirbt, über Vor- und Rückblenden bis hin zur Gegenwart. Die Eltern haben einen Teil der Asche aus dem Krematorium „abgezweigt“ und fahren mit Freunden nach Island, wo sie sie an den Hängen des Eyjafjallajökull verstreuen. Als der Vulkan 2010 ausbricht und mit seiner Aschewolke den Flugverkehr in Europa und damit auch in Frankreich lahm legt, ist dies wie ein Gruß für sie und sie beginnen, ihren Frieden mit dem Geschehen zu machen. „Man kann damit leben“ hat ein Freund, der ebenfalls ein Kind verloren hatte, Rostain am Abend, als der Sohn verstarb, gesagt. Rostains Danksagung an die Freunde, die halfen, diese Zeit zu überstehen, schließt mit diesen Worten: „Man kann damit leben.“

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt