Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Longo, Andrej

Zehn

Untertitel
Erzählungen. Aus dem Italienischen von Constanze Neumann
Beschreibung

Neapel. Zehn Geschichten, die man, hat man sie einmal erzählt bekommen, nicht so leicht wieder loswird. Andrej Longo beschreibt ganz gewöhnliche Menschen in Schockmomenten. In Endstationen. Es sind immer nur kurze Ausschnitte, die aber umso stärker nachhallen, weil sie ihre Protagonisten aus der Masse heraus und ins helle Licht rücken, wodurch die uns allen gemeinsame Verletzlichkeit gänzlich in den Vordergrund tritt und der Leser geradezu gezwungen wird, einmal genauer hinzusehen. Ein ganz außergewöhnliches, ein besonderes Buch.

Verlag
Eichborn Verlag, 2010
Format
Gebunden
Seiten
153 Seiten
ISBN/EAN
978-3-8218-6112-8
Preis
17,95 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Andrej Longo wuchs in Neapel auf und lebt heute als erfolgreicher Drehbuchautor in Rom. Er hat für sein Werk zahlreiche Preise erhalten und wurde für viele nominiert. „Zehn“ ist sein erstes ins Deutsche übersetztes Buch.

Zum Buch:

Wenn ich im Klappentext lese, dass der Autor nebenbei Drehbücher schreibt, dann macht mich das mittlerweile eher etwas misstrauisch. Denn meistens ist es dann so, dass ich nach der letzten Seite merke, dass ich nichts merke. Außer eben, dass da etwas Entscheidendes fehlt. Und dass ich, wie bei einem guten Videoabend, auch gleich nach der nächsten DVD greifen bzw. irgendein neues Buch aufschlagen könnte. Kennen Sie das auch?   

Nachdem ich die zehn Geschichten von Andrej Longo (»lebt heute als erfolgreicher Drehbuchautor in Rom«) in ein paar Stunden gelesen hatte, war mir jedenfalls sofort klar, welches Buch ich als nächstes, mit einem Tag Pause dazwischen, lesen wollte: nämlich das gleiche noch mal. Und das passiert mir nun wirklich äußerst selten. Ich gehe mal einfach mal davon aus, dass Andrej Longo sehr gute Drehbücher schreibt, denn seine Figuren und überhaupt seine Geschichten sind so dermaßen lebendig und ehrlich und unverhüllt, als hätte er sie sich in die Feder diktieren lassen, als hätte er wahre Begebenheiten nur dokumentiert. Und obwohl jede dieser zehn Geschichten es „in sich hat“, wie man so sagt, hat man gleichzeitig jedoch nie den Eindruck: hm, na ja, jetzt komm aber, jetzt übertreib aber mal nicht, das kann doch gar nicht sein usw. Das ist eins zu eins, da ist das, was sonst eben fehlt, geradezu im Überschuss vorhanden. Nur schade, dass es eben nur zehn Geschichten sind, es hätten meinetwegen auch gerne zwanzig sein können. Sie spielen alle in der süditalienischen Hafenstadt Neapel. Und immer abseits jeglicher Touristenpfade. Sie handeln von Menschen und deren zumeist ungünstigen Schicksalen. Kleine Geschichten, Momentaufnahmen, die auf der großen Bühne des Lebens spielen, wie z.B. die des dreizehnjährigen Ciro, der seine Mutter tötet, weil sein älterer Bruder zu feige ist, dem Wunsch der totkranken Frau nachzukommen, und der, als er fertig ist, die CD von Nino D’Angelo auflegt, so, wie er es versprochen hat, und dann sitzt und wartet. Oder die Geschichte von dem Sänger Savé, dem mit der Engelsstimme. Savé war sehr erfolgreich. Es sang auf Hochzeiten, auf Feiern und Begräbnissen, Savé war immer ausgebucht, die Leute liebten ihn. Oder seine Stimme. Aber er wollte mehr. Viel, viel mehr, und vor allem wollte er nicht darauf warten.  Am Ende war der Preis dafür ziemlich hoch: ein Leben. Am meisten berührt hat mich die Geschichte der Frau des Pizzabäckers, der einmal in der Woche von seiner Arbeitsstelle in Rom nach Hause fährt, seit dreizehn Jahren und immer nur dienstags, und die das beklemmende Gefühl nicht ablegen kann, Zeit gewissermaßen zu stehlen, und das irgendwann keine Zeit mehr da sein wird, die man noch stehlen könnte. Andrej Longo ist ohne Zweifel ein Autor, auf den man, wenn man ihn einmal für sich entdeckt hat, nicht gerne lange warten will und bei dem man dennoch hofft, er möge sich die Zeit lassen, die nötig ist, um etwas so Großes aufs Papier zu bringen. Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln