Zum Buch:
Hochbegabt und vollkommen in sich zurückgezogen, so lernt der Leser Sebastian von Eschburg kennen. Sebastian hat sein eigenes Universum, spürt und fühlt in Farben – für Bedrohliches, Hässliches und Schönes hat er spezielle Farbmischungen. Seine Gefühle lassen sich nur erahnen. Dass er nach dem Selbstmord des Vaters heimlich dessen silbernes Zigarettenetui mit dem großen Stein aus Jade als einziges Erinnerungsstück an sich nimmt, lässt jedoch eine tiefe Verbundenheit und Nähe zum Vater vermuten.
An seiner Entwurzelung – die Mutter verkauft kurzerhand das Haus am See, der sichere Hort seiner Kindheit – zerbricht er nicht. Seine imaginäre Welt scheint gleichzeitig auch sein Schutzpanzer zu sein. Die Beziehung zu seiner Mutter bleibt distanziert und endet nach deren Wiederverheiratung schließlich ganz.
Nach dem Abitur ist er endlich frei für sein eigenes Leben. Er geht nach Berlin, macht dort eine Lehre als Fotograf und findet so sein neues „Zuhause“. Hier kann er seine inneren Welten abbilden und sie anderen zugänglich machen. Fortan experimentiert er mit Farben, Licht und Schatten und kreiert ungewöhnliche Foto- und Videoinstallationen. Sofia, sein Modell, wird für ihn die Frau, mit der sich ein Zusammensein zum ersten Mal gut anfühlt. Alles scheint sich in seinem Sinne zu fügen.
Auf der Höhe seiner Bekanntheit kommt dann der Bruch. Obwohl es keine Leiche gibt, wird er anhand diffuser Indizien verhaftet und des Mordes angeklagt. Sein Verteidiger, ein an der Stumpfheit der Menschen leidender alter Mann, findet ausgerechnet mit dieser Herausforderung zurück ins Leben. Der Prozess endet mit einer Überraschung!
Es ist an dieser Stelle unmöglich, all demgerecht zu werden, was Ferdinand von Schirach in seinem Buch „TABU“ so genial vorgibt. Seine Denkaufgabe zu Wahrnehmung und Wirklichkeit, die Diskussion um Gerechtigkeit und Recht, das poetische Zusammenspiel von Sehnsucht und Einsamkeit lassen auch nach der Lektüre lange nicht los. Der Erzählstil: ein akzentuiertes Staccato, distanziert und dennoch detailgenau. Der Roman: eine meisterliche Komposition! Meine Empfehlung: schnellstens Lesen!
Brigitte Hort, Eitorf