Zum Buch:
Der Zufall bringt Oliver Sacks an einem Samstagmorgen im Jahr 1993 zu einem Treffen der Amerikanischen Farngesellschaft im alten Museumsgebäude des Botanischen Gartens von New York. Der renommierte Neurologe, aufgewachsen in England in einem Haus, um das die Mutter in alter viktorianischer Tradition einen Garten voller Farne angelegt hatte, war Zeit seines Lebens fasziniert von der Erscheinung dieser Gewächse, ihren eingerollten Blatttrieben, ihrem staunenswerten Alter. Im Jahr 2000 hat er sich mit mehr als 20 Mitgliedern der New Yorker Farngesellschaft auf eine Reise nach Oaxaca im Süden von Mexiko begeben. Was für ein Glück, dass er bei diesen Erkundungen ein Reisetagebuch geführt hat!
Für Liebhaber von Farngewächsen ist die Gegend um Oaxaca ein wahres Eldorado. 5000 Arten wachsen dort, verglichen mit den 400 in Nordamerika oder mit den 1200 in Costa Rica eine unglaubliche Vielfalt, ein Wunder der Mannigfaltigkeit. Darunter sind Farne, die in der Dürre überleben, indem sie bei Wassermangel ihre Wedel abwerfen, und Monster wie der Adlerfarn, der mit einem ganzen Arsenal an tödlichen Giften gegen Insekten und andere potentielle Angreifer gewappnet ist. Die Begeisterung unter den Reiseteilnehmern springt in Sacks‘ Aufzeichnungen sofort über – welche Leidenschaft und Neugier ohne jegliches Konkurrenzdenken unter den Amateuren! Gleichzeitig eine Freiheit und Leichtigkeit, und in dieser Kombination der beste Nährboden für die Weitergabe von Wissen, für erhellende Diskussionen, für Erkenntnisse von wissenschaftlicher Tragweite.
Aber Sacks Aufmerksamkeit gilt auch dem Land und seiner Geschichte, die in jedem Ort zu ihm sprechen, ganz besonders deutlich in den Ruinen von Monte Albán. Diese heilige Stadt wurde nach dem Modell ihrer natürlichen Umgebung gebaut und im Jahr 800 von ihren Einwohnern verlassen, um sie vor den Konquistadoren zu verbergen. Der Plan gelang. Wie berechtigt jedoch die Befürchtungen der Ureinwohner waren, zeigt sich an der Barbarei der Eroberer, die die sogenannten Primitiven der Neuen Welt mit Gewalt unterwarfen und ihre goldenen Kunstschätze aus reiner Profitgier einschmolzen. Für Sacks wird die Reise in das Eldorado der Farngewächse auch eine Reise in eine andere Kultur und in eine andere Zeit.
Eingestreut in diese vielfältigsten Beobachtungen sind kleine, scheinbar belanglose Szenen, die erkennen lassen, wie wohl Sacks sich in dieser Gruppe begeisterungsfähiger Menschen gefühlt hat, die er bei Reisebeginn zum größten Teil nur vom Sehen kannte. Entstanden ist ein Reisetagebuch, wie man es sich wünscht: unterhaltsam, reich an Wissen mannigfaltigster Art, mit leichter Feder geschrieben. Auf den letzten Seiten teilt man die Enttäuschung des Autors über das nahende Ende der Exkursion.
Susanne Rikl, Mümchen