Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Sabuschko, Oksana

Museum der vergessenen Geheimnisse

Untertitel
Roman. Aus dem Ukrainischen von Alexander Kratochvil
Beschreibung

Dieser Roman ist ein richtiger Wälzer. 759 Seiten werden heutzutage dem Leser nur selten zugemutet. Wenn man sich aber für die Liebe, die gesellschaftliche Lage und die politische Entwicklung in der Ukraine interessiert, dann ist dieses Buch unverzichtbar. Sabuschko verquickt beides auf unnachahmliche Weise, sprachlich und gestalterisch auf höchstem Niveau.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Droschl, Literaturverlag, 2010
Format
Gebunden
Seiten
760 Seiten
ISBN/EAN
978-3-85420-772-6
Preis
29,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Oksana Sabuschko, die wichtigste Schriftstellerin der heutigen Ukraine, wurde 1960 geboren und lebt in Kiew. Sie hat ein Philosophie-Studium abgeschlossen, an der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften gearbeitet, war als Fulbright-Stipendiatin in Harvard und Pittsburgh und als writer-in-residence 1992 an der Penn State University. Gegenwärtig ist sie Vizepräsidentin des ukrainischen Pen-Zentrums und schreibt regelmäßig für Zeitschriften und Magazine zu literarischen Themen. Ihr Werk ist in mehrere Sprachen übersetzt und wurde u. a. mit dem Global Commitment Foundation Poetry Prize 1997 ausgezeichnet.

Zum Buch:

Dieser Roman ist ein richtiger Wälzer. 759 Seiten werden heutzutage dem Leser nur selten zugemutet. Wenn man sich aber für die Liebe, die gesellschaftliche Lage und die politische Entwicklung in der Ukraine interessiert, dann ist dieses Buch unverzichtbar. Sabuschko verquickt beides auf unnachahmliche Weise, sprachlich und gestalterisch auf höchstem Niveau.

Die Fernsehjournalistin Daryna verliebt sich in Adrian. Er ist der Großneffe einer Widerstandskämpferin im zweiten Weltkrieg, die Daryna zufällig auf einem Foto gesehen hat und von deren Ausstrahlung sie sofort fasziniert war. Indem sie versucht, das Leben dieser Frau zu entschlüsseln, steigt sie immer mehr in die problematische ukrainische Geschichte ein und gibt den Menschen, die – auf welcher Seite auch immer – für ein menschenwürdiges Dasein gekämpft haben, ein Gesicht. Dabei hilft ihr auch die Beziehung zu Adrian, der in mehreren Träumen die Erlebnisse der getöteten Widerstandskämpfer erfahr- und erzählbar macht. Die Toten sind tot, ja, aber auf irgendeine Weise wirken sie in uns und unserer Wirklichkeit weiter. Wir müssen nur ihre verrätselten Botschaften verstehen.

Solche Rätsel gibt auch die Freundin von Daryna auf. Die berühmte Malerin kommt bei einem Autounfall ums Leben, bei dem ihre “Geheimnisse” betitelten Bilder verschwinden. Sie basieren auf einem Mädchenspiel, in dem ikonengleiche Gebilde in der Erde vergraben werden und nur von Eingeweihten wiedergefunden werden können.
Das liest sich teilweise sehr mystisch und feministisch, ist aber nur die eine Facette des Buches. Die andere ist eine sehr realistische und manchmal witzige Schilderung der postkommunistischen ukrainischen Realität. Zum Schluss dafür ein Beispiel: zwei Ukrainer sind mit einem mit Melonen beladenen Wagen auf dem Weg zum Markt. Als der Wagen kaputt geht, beobachten sie gebannt, wie die Melonen den Hügel hinab in den Abgrund kullern, und kommentieren das so: “Schau mal, die Gestreifte ist am schnellsten. – So ein Volk muss man doch einfach lieben.

Edda Mittelbachert, Frankfurt am Main