Zur Autorin/Zum Autor:
Claudia Rusch, geboren 1971, aufgewachsen auf Rügen, in der Mark Brandenburg und seit 1982 in Berlin. Sie studierte Germanistik und Romanistik, arbeitete sechs Jahre als Fernseh-Redakteurin und lebt als Autorin in Berlin.
So hat Henning Zapotek, Hamburger Kriminalhauptkommissar, sich sein Sabbatjahr nicht vorgestellt: Statt mit Kurs aufs Nordpolarmeer der drohenden Midlife-Crisis davonzusegeln, findet er sich in seinem ungeliebten Heimatdorf Klokenzin bei Stralsund wieder, aus dem er vor siebenundzwanzig Jahren in den Westen geflohen ist. Dort ist der Mieter seines Elternhauses erhängt aufgefunden worden. Gleich in der zweiten Nacht nach Zapoteks Ankunft wird in das alte Gutshaus eingebrochen. Zu fehlen scheint nichts, allerdings ist das Schlafzimmer des Mieters durchwühlt. Ehe er sich versieht, ermittelt Zapotek außerdienstlich in zwei Todesfällen. Als der dann noch seine Jugendliebe Ulrike wiedertrifft, die er seit der Flucht nicht mehr gesehen hat, verabschiedet er sich endgültig von der Hoffnung auf ein ruhiges Sabbatjahr …
(ausführliche Besprechung unten)
Hennig Zapotek, bärbeißiger Bulle aus Hamburg, hat es endlich geschafft, dem Hamburger Polizeialltag zu entfliehen. Nach der ersten Nacht im Hause seiner verstorbenen Eltern, notwendige Zwischenstation vor seinem geplanten Segeltörn zum Nordpolarmeer, wacht er gleich mit zwei Katern auf. Der eine heißt Nikita, ist rotgestromt und neben dem Haus das einzig lebende Vermächtnis seiner Eltern. Der andere brummt in seinem Kopf. Schuld daran ist die Flasche Dujardin, mit deren Inhalt sein Vater zu Lebzeiten gerne geizte und die Zapotek, nicht nur aus diesem Grund, am Vorabend genüsslich geleert hat.
Dass sein Körper an diesem Morgen einen guten halben Liter Weinbrand neutralisieren muss, ist Teil seiner privaten Geschichte. Und die hat ihren Anfang hier in Klokenzin, seinem ungeliebten Heimatdorf vor Rügen. 27 Jahre ist es her, dass er von dort in den Westen flüchtete. Seither lastet viel Verschüttetes auf seiner Seele.
Wären da nicht die ungeklärten Todesfälle von Vater Reimar und Sohn Ingo Scheel – der eine rutscht unter mysteriösen Umständen im Bootshaus aus , löst dadurch die Befestigung eines aufgebockten Bootes und wird von dessen Kiel enthauptet, der andere wird erhängt in Zapoteks Elternhaus gefunden – wäre Zapotek sich und seiner Vergangenheit „davongesegelt“. So aber ist sein kriminalistischer Jagdinstinkt geweckt.
Allerdings muss er Undercover ermitteln, denn offiziell befindet er sich ja in seinem lang ersehnten Sabbatjahr. Ein wenig inoffizielle Hilfestellung bekommt er zwar von seiner Assistentin aus Hamburg – ebenso wie er aus dem Osten geflüchtet –, mit der ihn mehr als nur eine lange zurückliegende Liaison verbindet. Sie versorgt ihn heimlich mit Aktenmaterial und Befunden. Letztendlich aber ist er auf sich und seine Kombinationsgabe angewiesen. Gezwungen, sich durch geschickte Fragen und heimliche Tatortbesuche an die Geschehnisse heranzutasten, gerät er zwischen die Fronten einer nach außen hin gut funktionierenden Ehe und in einige lebensbedrohliche Situationen.
Bei seinen Recherchen begegnet er – positiv wie negativ – einigen wichtigen Menschen aus seiner persönlichen Vergangenheit. Auch seinem Feind aus Jugendtagen, der Auslöser für seine damalige Flucht gewesen ist. Dass ausgerechnet der wieder eine exponierte Stellung bei der Polizei inne hat, macht ihn wütend. Ansonsten aber kommen der deutsche Osten und der deutsche Westen in Zapoteks Vita aufs Schönste zusammen.
Und da wäre noch Kurt Jasmund – der ältere Nachbar und Vertraute aus seiner Jugendzeit –, der ihm in schnoddrig-charmanter Weise den Spiegel vorhält und nicht nur bei der Aufklärung der Fälle hilft, sondern auch dabei, die vermeintlich zerrissenen Liebesbande zu seiner Jugendliebe wieder herzustellen.
„Zapotek und die strafende Hand“ ist ein Krimi, der das hat, was alteingesessene Krimileser brauchen: Spannung, ausgefeilte und reflektierende Charaktere, einen sympathischen „lonely“ Ermittler und eine logische und nachvollziehbare Auflösung. Was besonders gefällt ist, dass Claudia Rusch Spannung erzeugen kann, ohne auf die üblichen blutrünstigen Schilderungen zugreifen zu müssen. Stattdessen sind ihre Handlungsstränge hintergründig aufgebaut und lassen viele mögliche Lösungen zu. Ihr Erzählstil ist ohne Schnörkel, klar wie die Ostsee und darauf fokussiert, den inhaltlichen Spannungsbogen zu unterstützen. Die zwischenmenschlichen Verirrungen und Verwirrungen geben dem Krimi die nötige Würze.
Ein Krimi-Debüt, das auf viele weitere Fälle mit Henning Zapotek hoffen lässt.
Brigitte Hort, Eitorf