Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Rothmann, Ralf

Die Nacht unterm Schnee

Untertitel
Roman
Beschreibung

Im letzten Band seiner Romantrilogie schließt Rolf Rothmann die eigene Familiengeschichte ab und lässt seine Protagonisten – und damit auch den Leser – hautnah die Fährnisse eines Nachkriegsdeutschlands in Kiel bis hin zu den Zechen des Ruhrgebiets der Neunzigerjahre durchlaufen. Der altgediente Ausspruch, dass lediglich das Leben selbst die gehaltvollsten Geschichten schreibt, erfährt in Die Nacht unterm Schnee eine Renaissance.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Suhrkamp Verlag, 2022
Format
Gebunden
Seiten
304 Seiten
ISBN/EAN
978-3-518-43085-9
Preis
24,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Ralf Rothmann wurde am 10. Mai 1953 in Schleswig geboren und wuchs im Ruhrgebiet auf. Nach der Volksschule (und einem kurzen Besuch der Handelsschule) machte er eine Maurerlehre, arbeitete mehrere Jahre auf dem Bau und danach in verschiedenen Berufen (unter anderem als Drucker, Krankenpfleger und Koch). Er lebt seit 1976 in Berlin.

Zum Buch:

„Ein Schriftsteller verfügt selten über mehr als seine Biografie, und wenn er redlich ist, präsentiert er den Lesern nichts von dem, was eigentlich jeder erfinden könnte, etwas Originelles womöglich.“ In der neueren deutschen Literatur findet sich kaum jemand, der sich in seinem Werk derart an diese Vorgabe gehalten hat wie Rolf Rothmann. Nach den Romanen Im Frühling sterben und Der Gott jenes Sommers schließt der Autor mit Die Nacht unterm Schnee seine Trilogie ab, in der er auf rückhaltlose Weise die eigene Familiengeschichte thematisiert.

Im harten Winter 1945 verdingt sich Elisabeth unweit des Ufers der Kieler Förde bei einer Schankwirtin, wo sie Kriegsheimkehrer, Matrosen und Hafenarbeiter bedient und durch ihre lebensfreudige Art rasch deren Zuneigung gewinnt.

Liesl, wie sie bald nur noch gerufen wird, ist eigentlich mit Walter verlobt, einem eher wortkargen, ungelenken Hünen, der nach Kriegsende als Melker auf einem Gutshof ein Auskommen sucht und dem nichts lieber wäre, als dass sein zukünftige Frau ihr Leben in der Stadt aufgibt und zu ihm aufs Land zieht.

Doch Elisabeth hat andere Pläne. Sie kostet das Leben in vollen Zügen aus, sie schminkt sich gerne, liebt die Musik und den Tanz und ist den Aufmerksamkeiten ihrer in ausreichender Menge vorhandenen Liebhaber nicht abgeneigt. Erst als es zu einer ungewollten Schwangerschaft kommt, sieht sie sich gezwungen, Walters Drängen schließlich nachzugeben. Doch die anfängliche Idylle trügt. Nach einem unglücklichen Zwischenfall muss das jung verheiratete Ehepaar den Gutshof verlassen und findet erst Jahre später Heimat im Ruhrgebiet. Und während sich Walter als Hauer in einer Kohlezeche verdingt, zieht es Elisabeth erneut zu Musik und Tanz.

Während der Erzählstrang von Die Nacht unterm Schnee immer wieder in kurzen Einschüben unterbrochen wird, in denen der Leser erst nach und nach von den von Elisabeth auf der Flucht aus Pommern erlittenen Gräuel erfährt, ist es größtenteils Luisa, die Tochter der Schankwirtin, die sich in der Rückschau an die damaligen Begebenheiten in Kiel und Oberhausen erinnert und somit gleichzeitig ihre eigene, nicht minder ereignisreiche Geschichte preisgibt.

Wie bereits in den vorangegangenen Romanen verlangt Rothmann auch diesmal seinen Protagonisten und damit auch der Leserschaft in seiner teils lakonischen, mitunter erschreckend drastischen Art der Schilderung enorm viel ab – doch entziehen kann man sich dem nicht. Denn ganz gleich, wie originell sie sein mögen: Das Leben erfindet keine Geschichten, es schreibt sie mit schonungsloser Hand.

Axel Vits, Köln