Zum Buch:
Im Sommer kommen sie, die feinen Herrschaften, meist in Begleitung von Freunden, selten zu zweit. Sechs sonnige Jahreszeiten lang erzählt der alte Gärtner von dem jungen, reichen Paar aus Barcelona, von Senyoret Francesc und Senyoreta Rosamaria, die das Haus am Meer mit dem romantischen Garten gekauft haben.
Er ist ein Menschenfreund, der alte Gärtner, auch wenn oder vielleicht gerade weil er seine Arbeit fern von den Herrschaften tut. Wie lange er schon diesen Garten mit seinen Rosen, Kronwicken, Lupinen und dem Geißblatt pflegt, die Lindenallee am frühen Morgen entlang geht, die Maulbeerbäume beschneidet, Samen in Schachteln in seiner bescheidenen Behausung neben dem Gewächshaus aufbewahrt und mit kundiger Hand Beete bepflanzt, weiß er wahrscheinlich selbst nicht mehr zu sagen. Seine Frau Cecília, die das kleine Häuschen mit ihm bezogen hat, ist jedenfalls schon lange tot. Wie eine Lichtgestalt taucht sie manchmal am Rand auf, wenn er von dem anfangs frisch verliebten herrschaftlichen Paar erzählt, dessen Ehe mit jedem Sommer brüchiger zu werden scheint. Wasserski, rauschende Feste, Ausflüge ins Hinterland schützen nur eine Zeit lang vor dem Verwehen der Leidenschaft. Als auf dem Grundstück nebenan eine noch prächtigere Villa gebaut wird und der neue Nachbar sich als die Jugendliebe von Senyoreta Rosamaria entpuppt, lauert das unbezähmbar Wilde im Schatten der Gewächse, spürt man in der stehende Luft den Sturm, der vom Meer heraufziehen wird.
Mercè Rodoredas Roman gleicht einem Spaziergang durch diesen traumhaften Garten über dem Meer. Nur scheinbar zufällig fällt der Blick auf sorgfältig angelegte Pflanzenkompositionen, die in Schönheit erstrahlen, aber auch wuchern oder verblühen können. Und ebenso scheinbar zufällig trifft der Gärtner auf den einen oder anderen Spaziergänger, der wieder einen Teil zu der Geschichte beiträgt, der Geschichte von Rosamaria, Eugeni und Francesc, die hier en passant erzählt wird.
1967 in katalanischer Sprache veröffentlicht, ist dieser Klassiker bis heute erstaunlicherweise noch nicht auf Deutsch erschienen. Wie gut, dass man ihn jetzt auch hier lesen kann, und das in einer edlen, besonders schönen Leinenausgabe.
Susanne Rikl, München