Zum Buch:
1946. Die Welt befindet sich längst im Wandel, als der junge Veteran Walker beschließt, seiner kanadischen Heimat endgültig den Rücken zu kehren. Wie so viele andere auch wird er nach Beendigung des Krieges das Gefühl nicht mehr los, mit der Auflösung seiner ehemaligen Kompanie eine Familie, ein gemeinsames Ziel und somit auch den Halt in einer Welt verloren zu haben, der Fortschritt alles bedeutet und die ihre Kinder längst wie Waisen behandelt.
Tagsüber verdingt sich Walker als Handlanger auf den New Yorker Hafendocks, in der Nacht irrt er ziellos durch die Straßen der riesigen Stadt, gequält von immer wiederkehrenden Flashbacks, die ihm die Grausamkeit seiner Erlebnisse in den Gräben Flanderns vor Augen führen – und der Schuld, die er dort auf sich geladen hat.
Er trinkt, ohne von sich aus die Gesellschaft anderer zu suchen. Beobachtet, ohne wirklich zu hoffen. Er nimmt die Armut und die Ausgrenzung wahr, durchschaut den billigen Flitter der Verheißung. Und wenn er dann tags darauf verkatert in seiner Absteige aufwacht und sich erinnert, so kommt es ihm vor, als lebten die einstigen Verteidiger der Freiheit nicht wie Sieger, sondern vielmehr wie Menschen, die langsam aber sicher alles verlieren, woran es sich zu glauben lohnte.
Nachdem er zufällig in einer Bar auf einen bekannten Regisseur trifft, schlägt dieser ihm spontan vor, nach Los Angeles zu reisen und ihn dort zu besuchen. Desillusioniert und fast völlig mittellos folgt Walker der Einladung, wird wiedererwarten bei einer Zeitung eingestellt, weil er schreiben kann und weil ihm schreiben leichter fällt als reden. Nach einiger Zeit darf er über das Hollywood der McCarthy-Ära und bald über die Verhältnisse in den Armenvierteln von Bunker Hill schreiben, wo der Fortschritt sich in Form von Schnellstraßen unersättlich durch die Stadt frisst, Arme, Alte und Schwarze erst aus ihren Häusern, dann aus ihren Vierteln vertreibt, „… immer weiter, bis die Straße das Meer erreicht“.
Selten wurde das Verhängnis eines schleichenden, doch unabwendbaren Verlusts eindringlicher geschildert als in dieser Erzählung. Der schottische Lyriker Robin Robertsons hat für Wie man langsamer verliert eine Ausdrucksform gewählt, die ohne überladenes Pathos auskommt und dennoch in ihrer Sprachgewalt, ihrer Dramaturgie und seelischen Tiefe an eine antike Tragödie erinnert – ein Meistwerk, dass die Zeit überdauern wird.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln