Zum Buch:
Axel Vits, Der andere Buchladen Köln
Ach, hörte ich vor kurzem einen Kunden zu seiner Begleiterin sagen, die gerade in Richard Powers neuen Roman Das Echo der Erinnerung blätterte, sicherlich wieder so ein Buch über irgendwen, der mitten im Nirgendwo plötzlich wieder zu sich kommt und keine Erinnerung an sein vergangenes Leben hat. Natürlich ein Amerikaner. Der nicht weiß, wie er heißt oder was für ein Tag heute ist. Oder welches Jahr. Der seine Sozialversicherungsnummer vergessen hat, nicht mal weiß, in welchem Land er sich überhaupt befindet und wie blind durchs Leben stolpert und so weiter. Hatten wir doch schon. Worauf er ein weiteres Exemplar in die Hand nahm und wog. Ziemlicher Schinken auch. Zugegeben, zunächst war ich auch der der Meinung, das kommt einem doch alles recht bekannt vor. Dann, an einem dieser grauen, halbverregneten Da-gehe-ich-gar-nicht-erst-raus-Sonntage, dachte ich mir, he, das ist Richard Powers, Autor von Der Klang der Zeit, da muß einfach mehr drin sein. Also begann ich zu lesen. Vierzig Seiten. Hundert Seiten. Zweihundert. Montagmorgen knipse ich nach der letzten das Licht aus. Ein Pageturner. Spannender mit jeder weiteren Seite. Es gibt dieses Nirgendwo, und, ja, es liegt in Amerika. Genau in der Mitte. Und es hat sogar einen Namen: Kearney. Ein langweiliges Kaff in Nebraska, in das jedes Jahr Touristen aus aller Welt strömen; immer dann, wenn die Kraniche kommen und zu hunderttausenden Zwischenstation in den umliegenden Sümpfen machen. In einer Winternacht wird eine schnurgerade, kaum befahrene Landstraße zum Schauplatz eines seltsamen Unfalls, der damit endet, daß man, nach einem anonymen Anruf, einen jungen Mann aus seinem zusammengefalteten Dodge herausschneidet. Marks Überlebenschancen stehen gleich null, also wird seine einzige Verwandte informiert, seine ältere Schwester Karin, die sich sofort auf den Weg macht. Mark überlebt. Doch als er aus dem Koma erwacht, glaubt er nicht, sie sei seine Schwester. Mehr noch, er hält sie für eine Doppelgängerin. Eine Agentin. Auch ist er fest davon überzeugt, seine besten Kumpels seien ebenfalls gegen fast perfekte Kopien, aber eben nur fast ausgetauscht worden. Sogar sein Hund. Sein Haus. Überhaupt die ganze Stadt. Er selbst hat keinerlei Erklärung hierfür, die Medizin nennt es Capgras-Syndrom. Aber etwas stimmt nicht. Mark beginnt sich zu erinnern. Er war nicht allein da draußen, in dieser Nacht. Und er ahnt, es muß etwas mit den Kranichen zu tun haben. Und einem rätselhaften Zettel, den niemand geschrieben haben will. Gestern kam die Frau wieder in den Buchladen, diesmal allein. Danke für den Tipp, ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Sag ich doch. Autorenportrait: Richard Powers wurde 1957 geboren. Er studierte Physik und arbeitete als Programmierer, bevor er mit 32 Jahren seinen ersten Roman veröffentlichte. Für seine Bücher erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Er lebt in Urbana, im Staat Illinois.
Axel Vits, Der andere Buchladen Köln