Zum Buch:
Diese Geschichten gibt es immer wieder: Junge Frauen verlassen ihre Heimat, um in einem fremden Land Männer zu heiraten, von denen sie nichts kennen außer einem Foto und nichts wissen als die Versprechungen, die ihnen die Vermittler und die spärlichen Briefe der künftigen Ehemänner machen. Sie gehen, weil ihre Familien sie drängen oder weil sie ihren Familien entkommen wollen. Weil die Not zu Hause keine weiteren Esser duldet, weil die Arbeit zu hart ist. Weil sie dort niemand zur Frau nehmen würde, weil sie zu alt sind, zu hässlich – oder weil sie einfach neugierig auf ein Leben außerhalb des ewig Gleichen sind
Von ihren Hoffnungen und Ängsten erzählt dieses Buch und von der Wirklichkeit, die sie nach der Ankunft erwartet. Davon, dass ihre Männer weder so schön noch so wohlhabend sind, wie sie geglaubt haben, dass ihr Leben auch in Kalifornien nicht leicht sein wird. Dass sie Wanderarbeiterinnen werden, auf fremden Feldern oder auf mickrigen Äckern zu horrenden Pachtabgaben schuften. Dass sie Wäscherinnen werden, Köchinnen, Dienstmädchen – für fremde Herrschaft und für ihre Männer. Es erzählt, wie sie sich langsam eingewöhnen, sich hocharbeiten, Kinder bekommen, die es einmal besser haben werden und sich manchmal für ihre Eltern schämen. Bis der japanische Angriff auf Pearl Harbour kommt und alles zunichte macht, sie wieder zu Außenseitern werden, alles verlieren, was sie errungen haben, und in Lagern fern ab der Küste interniert werden.
Julie Otsuka hat für ihre Erzählung eine wunderbare Sprache gefunden. Leicht, rhythmisch wie ein Musikstück. Es ist ein sanfter Text, eine zarte Litanei von Ausbeutung und Einsamkeit, aber auch von zähem Überlebenswillen. Die einzelnen Schicksale werden zu einem vielstimmigen Chor, zu einem „Wir“. Nie hätte ich gedacht, dass mich ein Text so fesseln, emotional so stark ansprechen würde, in dem es keine einzige Heldin gibt und der doch mit jedem Satz eine individuelle Geschichte erzählt. Das ist wirklich große Kunst!
Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt