Zum Buch:
Heinz Georg Bederitzky ist Taxifahrer in Berlin und fährt zumeist in der Nachtschicht. Felix ist Drogendealer mit Dauer-Zahnschmerzen und Arbeitsethos, Anna (von Bassenheim, wie man später erfährt) Inhaberin und erste Selbstausbeuterin eines – wie der Berliner zu Läden mit Spätkonzession sagt – Spätis. Tanja ist Rettungssanitäterin, sie und ihr Kollege Tarik lesen auf, was in der Kreuzberger Nacht unter die Räder kommt. Sheriff hat Nachtschicht in einem Hostel, Ten ist Türchef im Lobotomy, Ingrid sammelt abends, wenn sie ihr Billig-Bücherantiquariat geschlossen hat, Flaschen.
Das sind einige der Protagonisten in Thorsten Nagelschmidts Roman Arbeit. Sie alle hatten mal andere Vorstellungen von ihrem Leben oder träumen noch von einem besserem, sie strampeln und kämpfen, fallen und stehen wieder auf und werden dennoch langsam von der Nacht aufgefressen. Bederitzky versucht, seinen aus unglücklichen Umständen und falschen Entscheidungen erwachsenen Schulden zu entkommen. In dieser Nacht scheint er endlich mal wieder Glück zu haben – endlich hat er eine lange, lukrative Fahrt aufgetan. Felix, Dealer mit sozialer Ader, ist über seine Zahnarzt-Phobie medikamentenabhängig geworden. Nach einem Aufenthalt im Gefängnis ist er clean und glaubt sich auf der sicheren Seite. Tanja hofft, neben ihrem nervenaufreibenden Job das Abitur nachzuholen und Medizin zu studieren …
Das Zentrum des Romans ist ein kleines Areal rund um die Schlesische Straße in Kreuzberg. Hier treffen alle Figuren aufeinander. Ihre Lebenswege sind ineinander verwoben oder berühren sich nur für einen kurzen Moment. Arbeit ist ein rasantes, ungeheuer visuelles Buch mit einem gnadenlos genauen Blick auf jene, die sich um jeden Preis amüsieren wollen, auf die, die dafür arbeiten, und auf andere, die am Ende den Dreck wegmachen. Das Geschehen ist jeweils aus der Perspektive der handelnden Personen erzählt, der Leser wiederum blickt mehrfach auf die gleiche Szene, immer wieder aus anderem Blickwinkel. Thorsten Nagelschmidt hat großes, atmosphärisch dichtes Kopfkino geschrieben. Atemlos folgt man seinen Protagonisten, und darin, dass er dem Leser selbst die abgedrehtesten Figuren des Buches wenn auch nicht sympathisch, so doch immer interessant zu machen versteht, liegt seine Kunst.
Ruth Roebke, Bochum