Zum Buch:
„Ich hatte nicht die Absicht, Warten auf nichts jemals zu veröffentlichen, daher ist es aus dem Bauch heraus geschrieben, wie Penner eben sprechen, wenn es auch nicht die gepflegtesten Ausdrucksformen der Welt sind.“
Tom Kromer, Nachfahre deutscher Einwanderer, wächst in einer Arbeiterfamilie in Huntington im US-Bundesstaat West Virginia auf, einer von Kohlebergbau und Stahlindustrie geprägten Region an den Ufern des Ohio-River. Er erinnert sich, dass sein Vater, ein gebeugter, wortkarger Mann, sich nie mehr vom Leben erhofft hatte als einen Job, mit dem er seine Familie würde ernähren können. Und dass dessen beständige Sorge einzig darin bestand, diesen zu verlieren.
Im Oktober 1929, am Schwarzen Donnerstag, führt der Börsencrash an der New Yorker Wallstreet zur Wirtschaftskrise, in deren Folge zahlreiche Fabriken ihre Tore schließen und Millionen Beschäftigte auf die Straße gesetzt werden. Armut, Hunger und Verzweiflung zwingt viele junge Menschen dazu, ihrer Heimat den Rücken zu kehren und sich anderenorts nach Arbeit umzusehen. So auch Tom Kromer. Doch es gibt keine Arbeit. Nirgends. Und diejenigen, die sich dennoch danach erkundigen, werden nicht selten ausgelacht.
Also wird er zum Tramp – mit gerademal dreiundzwanzig Jahren. Er reist durch das Land, verdingt sich für ein Handgeld als Erntehelfer, ernährt sich von Essensresten, schläft, wenn er denn die paar Cent aufbringen kann, in dreckigen, überfüllten Notunterkünften oder ansonsten auf Parkbänken. Er bettelt, stiehlt, bietet seinen Körper in Parks und dunklen Hinterhöfen an.
Das Leben in der Gosse ist hart, denn es gibt so viele, die sein Schicksal teilen. Eines Tages wird er wegen Landstreicherei verhaftet und zu mehreren Monaten Zuchthaus verurteilt. Immerhin hat er da ein Dach über dem Kopf, auch wenn das Essen aus altbackenem Brot und vergammelter Kohlsuppe besteht. Es wird nicht seine letzte Haftstrafe bleiben.
Und während er von einem Bundesstaat in den anderen zieht, indem er auf Güterwaggons aufspringt, was seinesgleichen bereits Arme und Beine oder das Leben gekostet hat, notiert er auf Zigarettenpapier und den Seitenrändern religiöser Traktate sein Leben als Obdachloser. Ungeschönt und in einer Sprache, die so eindringlich und nachhaltig ist, dass man sich nicht sattlesen kann. 1935 in einem kleinen Verlag erschienen, wird Warten auf nichts von Kritikern einhellig gefeiert, von den Massen jedoch ignoriert. Es bleibt Kromers einziger Roman: Nach einer Tuberkuloseerkrankung, Psychosen und dem Tod seiner Frau stirbt er schließlich verlassen und weitestgehend unbekannt als Pflegefall.
Man muss als interessierter Leser dem Verlag Das kulturelle Gedächtnis hoch anrechnen, dass er sich um die deutsche Übersetzung dieses Romans bemüht hat, denn Warten auf nichts ist nichts anderes als ein literarisches Juwel, das eine größtmögliche Leserschaft verdient. Es gibt diese Bücher, die man niemals wieder vergisst. Dies ist mit Sicherheit eines von ihnen.
Axel Vits, Köln