Zur Autorin/Zum Autor:
Paulus Hochgatterer, geboren 1961 in Amstetten/Niederösterreich, lebt als Schriftsteller und Kinderpsychiater in Wien. Diverse Preise und Auszeichnungen, zuletzt den Europäischen Literaturpreis 2009.
Im idyllischen Fürth am See lebt und arbeitet Psychiater Raffael Horn. Dort lebt und arbeitet auch Kriminalkommissar Ludvic Kovacs. Die beiden Männer haben berufsbedingt immer mal wieder miteinander zu tun. Auch in diesem Frühling arbeiten sie zusammen: Mehrere Kinder zeigen Spuren von Schlägen und berichten so übereinstimmend wie vage von einer “schwarzen Glocke”, die sie mit einem Stock geschlagen und zum Schweigen verpflichtet habe.
Im idyllischen Fürth am See lebt und arbeitet Psychiater Raffael Horn. Dort lebt und arbeitet auch Kriminalkommissar Ludvic Kovacs. Die beiden Männer haben berufsbedingt immer mal wieder miteinander zu tun. Auch in diesem Frühling arbeiten sie zusammen: Mehrere Kinder zeigen Spuren von Schlägen und berichten so übereinstimmend wie vage von einer “schwarzen Glocke”, die sie mit einem Stock geschlagen und zum Schweigen verpflichtet habe.
Rätselhaft, gewiss. Aber Kinder leben, wie man weiß, in ihrer eigenen Welt – und, nur so gefragt, waren Schläge nicht mal üblich? In ihrer eigenen Welt leben auch die Erwachsenen: Horn mulcht seinen Garten, plagt sich mit der Eifersucht auf seine Cello spielende Ehefrau und sorgt sich um seinen 16jährigen Sohn, der allem Anschein nach kifft und seltsam intensive Gefühle für die Hauskatze entwickelt. Kovacs fürchtet den bevorstehenden Besuch der 14jährigen Tochter aus seiner geschiedenen Ehe, mit der er wenig anfangen kann und die ihm als Störfaktor für das prekäre Gleichgewicht erscheint, das er in seiner neuen Beziehung erreicht hat.
Horn und Kovacs sind erfahrene, angesehene Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet. Aber Erfahrung kann auch den Blick verstellen: auf die von der “schwarzen Glocke” geschlagenen Kinder genauso wie auf den eigenen Nachwuchs, auf Patienten, Straftäter und ihre Opfer, auf Verbrechen, die es zu sühnen und auf das Grauen, dass es – wenn möglich – zu verhindern gilt.
Die Lektüre von “Das Matratzenhaus” ist eine seltsame Erfahrung. Man erwartet eine Geschichte und erfährt statt dessen in gemächlichem Tempo alltägliche Gedanken und Wahrnehmungen sehr verschiedener, aber auch sehr normaler Personen. Und gerade, wenn man denkt, das wird ja langweilig, wann passiert denn hier endlich mal was, spürt man ein ganz leichtes Unbehagen, eine winzige Gänsehaut. Man wird immer stärker in den inneren und äußeren Monolog der Protagonisten hineingezogen und ist plötzlich mitten in eben der Geschichte, die man gerade noch vermisst hat. Nur dass sich diese Geschichte eigentlich gar nicht in dem Buch, sondern im eigenen Kopf abspielt: man setzt sie aus den Gedanken und Eindrücken der Figuren zusammen und findet sich urplötzlich als Detektiv wieder, der Spuren verfolgt, die so geschickt gelegt sind, dass man sie zunächst oft überliest und plötzlich zurückblättern muss. Hochgatterer schreibt leise, fast zart und mit ganz sanfter Ironie, breitet scheinbare Banalitäten aus und zieht dem Leser zugleich fast unbemerkt immer mehr den Boden unter den Füßen weg. “Das Matratzenhaus” ist eine unglaubliche Leseerfahrung, die man lange nicht vergessen wird.
Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main