Zum Buch:
In seiner frühen Kindheit ein Garten, wer jetzt ein Buch über eine idyllische Kindheit erwartet, kennt Christoph Hein schlecht. Es ist ein merkwürdiges Buch, in dessen Mittelpunkt der Tod des Terroristen Oliver Zurek steht. Der Bezug zu dem aufgeklärten Vorfall 1994 in Bad Kleinen, als Wolfgang Grams, ein mutmaßlicher RAF-Terrorist, er- schossen wurde, ist unüberlesbar und absichtlich. Eigentlich jedoch geht es um die Entwicklung seines Vaters Richard Zurek und seine Familie. Das Buch ist keine leichte Kost, – welcher Roman von Christoph Hein ist das auch? , aber ein meisterhaft geschriebenes, das sich zu lesen lohnt. Der Autor erzählt knapp und schnörkellos eine traurige Geschichte, in deren Verlauf viele Hoffnungen verwelken, die aber doch unerwartet optimistisch endet. Als sein Sohn stirbt, begibt sich Richard Zurek auf die Suche nach der Wahrheit, es wird ein langer Weg. Am Anfang ist er sich sicher, dass er mit Hilfe des Staates, dem er sein Leben lang treu gedient hat, die wahre Wahrheit – im Gegen satz zu der Wahrheit der Medien und offiziellen Erklärungen – über den Tod seines Sohnes findet. Jedoch am Ende kommt er zu der Erkenntnis: Der Staat muss siegen, möge auch die Gerechtigkeit zu Grunde gehen. Aber der Weg bis dahin ist ein steiniger. Er muss sich, fast wie Josef K. im Prozess von Franz Kafka, mit dem Machtapparat des Staates auseinandersetzen. Diesen stellt Christoph Hein ebenso bloß wie die Sympathisanten und Mitläufer der Linksextremisten; die Kin- der der Revolution, wie die Katharina Blum(enschläger) verlieren zum zweiten Mal ihre Unschuld (Ehre). Es geht Ch. Hein nicht darum, politische Stellung zu beziehen; weder die eine Seite noch die andere ist die wahre, für die er Partei ergreifen möchte. Wichtig und interessant für den Autor sind der Weg und die Suche des Vaters, es geht um eine menschliche Entwicklung. Dabei erfährt der Leser auch etwas über die anderen Mitglieder der Familie, deren in Deutschland sehr ungewöhnlicher Name sich lohnt genauer anzusehen: Zurek ist eine traditionelle schlesische Knoblauch-Suppe (Ch. Hein stammt aus Schlesien), die sehr säuerlich ist und lange Zeit gären muss, um reif und genießbar zu werden. Auch Richard Zurek braucht lange Zeit, um zu reifen. Bei dem Prozess muss er in viele saure Äpfel beißen. Da er in seinem hohen Alter die Früchte des Gartens endlich genießen kann, könnte das Buch auch In seinem hohen Alter ein Garten heißen. Arnold Güttler, Der andere Buchladen, Köln