Zum Buch:
Jesse ist in der zehnten Klasse und hat die Schule so gründlich satt, dass sein Vater, David Gilmour, Angst um ihn bekommt. Was passiert, wenn er sich weiterhin in der Schule quälen muss, aber was passiert, wenn er mit sechzehn Jahren die Schule verlässt? So kommt ihm die Idee, Jesse einen Handel vorzuschlagen: Er braucht nicht mehr zur Schule zu gehen, er muss sich keinen Job suchen, er kann zu Hause wohnen und essen. Als Gegenleistung muss er sich zusammen mit seinem Vater drei Kinofilme pro Woche anschauen und mit ihm darüber sprechen. Jesse willigt ein.
“Unser allerbestes Jahr” (was denken sich deutsche Verlage eigentlich bei solch pilcherhaften Titeln?) heißt im Original “The Film Club”. David Gilmour ist nicht nur Filmfan, er war einige Jahre Filmkritiker beim Fernsehen. Er kennt sich also aus. Drei Jahre lang hält die Vereinbarung zwischen Vater und Sohn. In diesen drei Jahren gucken sie sich kreuz und quer durch die Welt des Kinos. Schwarze Serie, europäisches Autorenkino, New Hollywood, französisches, deutsches, japanisches Kino. “Der Pate”, “Sie küssten und sie schlugen ihn”, “Onibaba” (wo in aller Welt bekommt man diesen Film her?). Krimis, Liebesfilme, die härtesten und die peinlichsten Filme aller Zeiten. Kein Bildungsprogramm, keine Zensur, einzig die Überlegung, womit er seinen Sohn bei der Stange halten kann, bestimmen Davids Auswahl.
Daneben läuft das ganz normale Leben weiter. Gilmour, der als freier Autor arbeitet, gerät in eine berufliche Krise. Jesse lernt die Liebe und ihre Schmerzen kennen und wird älter. David fragt sich bang, ob sein Sohn damit auch erwachsener wird. Oder ob er auf Kosten seines Sohnes den coolen Vater gibt und dabei dessen junges Leben ruiniert.
Weil das alles im wirklichen Leben passiert, weiß der Autor auch nicht mehr über das, was in seinem Sohn vorgeht, als dieser preisgibt. Der Leser kann sich noch so sehr wünschen, er erführe, welche Gefühle und Gedanken die jeweiligen Filme in Jesse auslösen, aber er erfährt es nicht. Es sei denn, der spricht darüber. (Über die Gespräche hätte man allerdings gern mehr gelesen.) Deshalb bangt man genau wie der Vater, ob der originelle Erziehungsversuch scheitert oder ob Jesse tatsächlich irgendwann sein Leben in die Hand nimmt.
Das Buch ist keine Teenagerklamotte, es ist ein ernsthafter Bericht über eine ungewöhnliche Art, jemanden den eigenen Weg finden zu lassen. Das liest sich unterhaltsam, berührend, spannend und angenehm unaufgeregt. Als Leserin hätte ich gerne zwischen den beiden auf dem Sofa gesessen …
Ruth Roebke, Autorenbuchhandlung Marx & Co, Frankfurt